Reuss in der Morgensonne

Die Reuss…(4)

Ich habe mich gestern Abend spontan entschieden, heute die nächste Etappe in Angriff zu nehmen. So muss ich in Bremgarten erst etwas zu Trinken und ein Sandwich einkaufen gehen am Bahnhof. Und natürlich komme ich so wieder an dem tollen Brunnen in Form einer Pyramide vorbei auf dem Weg hinunter zur Reuss.

Pyramiden-Brunnen
Pyramiden-Brunnen

Der Weg führt flach dem Wasser entlang und ist heute über die meiste Zeit als rollstuhlgängig gekennzeichnet. Beim Kraftwerk überquere ich die Reuss und merke, dass ich hier schon mal auf meiner Wanderung zum Erdmannlistein war. Das Wasser steht beinahe und spiegelt wie auf einem stillen See. In den Gärten, wo ich vorbei komme, stehen lustige Eisenplastiken und die Weidenkätzchen stehen in voller Blüte. Es ist die sonnige Seite des Reussufers und heute haben wir frühlingshafte Temperaturen.

Ich marschiere zügig los, solange ich noch nicht müde bin und komme echt ins Schwitzen. Bald passiere ich das Kloster Hermetschwil, eine ehemalige Benediktinerinnen-Abtei aus dem 12. Jahrhundert, quere den Rotbach, dessen Wasser rötlich aus den Mooren oberhalb in die Reuss mündet und blicke zurück zum Dominilochsteg, einer Holzbrücke für Fussgänger und Radfahrende.

Und nun führt der Weg durch viel Naturschutzgebiet, am Flachsee links und einem Moos rechterhand vorbei. Die Natur hier ist traumhaft. Einzig diese unsägliche Drohne stört mich auf der ganzen Strecke mit ihrem Brummen. Ich frage mich, ob die das Gebiet vermisst oder sonst irgendwie erkundet. Kurz vor dem Gebiet der Stille Rüss auf der Höhe von Oberlunkhofen steht dann nach einer Kurve ein Kastenwagen und zwei Männer beugen sich über einen Bildschirm. Dahinter ist die riesige Drohne gelandet. Ich hab noch nie so ein grosses Ding gesehen. “Skyability” steht auf den Shirts der Leute und am Auto. Es soll eine österreichische Firma sein, welche u.a. Landvermessungen anbietet. Wenigstens ist jetzt Ruhe und ich sehe viele, viele Möwen am Himmel und Gänse oder Enten auf dem Wasser.

Möwenschar am Himmel
Möwenschar am Himmel

Und nun laufe ich endlos lange in der Reussebene. Der Weg ist flach und alle 200 m mit einem Bänkli gesäumt und Grenzsteine verraten den Abstand. Ich entschliesse mich bei Kilometer 20 auf das Bänkli zu sitzen und meinen Lunch einzunehmen. Aber genau da setzt sich ein Pärchen hin. Also weiter und ich bin inzwischen richtig durstig und müde. Auf der Höhe von Jonen habe ich dann Glück. Und auf der Holzbank prangt ein Messingschild mit dem Namen von Sandro Viletta, Olympiasieger. Ich wundere mich und setze mich hin. Natürlich muss ich googeln und erfahre, dass er in Sotschi vor 10 Jahren Gold in der Kombination gewonnen hat und von La Punt im Bündnerland ist. Warum sein Name wohl hier an der Reuss verewigt ist?

Messingschild mit Namen von Sportlern
Messingschild mit Namen von Sportlern

Darunter der Name eines Ringers, Leonz Küng, ebenfalls Olympionike, und dem Inhaber des Holzerhofs mir gegenüber. Da werden Christbäume angebaut und verkauft. Eben befreit wer mit einem Laubbläser Staub von den noch stehenden Bäumen. Auch die Mittagspause ist heute nicht mit Ruhe gesegnet…

Beim Weitergehen traue ich meinen Augen nicht. Da vorne sehe ich schneebedeckte Berge. Und das ist doch…Ja genau, das muss die Rigi sein und rechts daneben der Pilatus. Häää, bin ich bereits so weit gegangen, dass ich in die Alpen sehe? Ich frage ein mir entgegenkommendes Paar. Sie sagen, sie wohnen jetzt seit 38 Jahren hier, aber welch Schande, sie hätten keine Ahnung. Der Mann meint, dass man den Titlis evtl. sehe und sie redet vom Maloja. Da zweifle ich allerdings. Bis ins Bündnerland ist es dann wohl doch noch etwas weiter. Ein weiterer Spaziergänger bestätigt dann aber auf meine Frage hin, dass dies Rigi und Pilatus seien. Er nennt noch eine Spitze, aber der Name ist mir unbekannt und schon wieder vergessen.

Die Rigi im Hintergrund
Die Rigi im Hintergrund

Ich laufe in der Ebene zwischen dem Reusskanal und der Reuss. Von beidem sehe ich nichts, denn weite Felder und Wald trennen vom Wasser. Aber nicht lange und ich stehe an der Brücke nach Ottenbach. Ein Ort, den ich noch nie gehört habe. Im Wasser wird für die Schweizer Meisterschaften der Pontoniere im Juni 2024 geworben.

Ich entscheide mich, hier den öV zu suchen und mich auf den Heimweg zu machen. Diese ungewohnte Wärme mitten im Februar macht mich kaputt. Zudem bin ich doch 3 Stunden und rund 14 km gegangen. Um ins Dorf zu gelangen, quere ich die Brücke, komme am Stoffgeschäft creashpere Haas AG vorbei und laufe hoch zur Hauptstrasse. Beim Gemeindehaus fährt das Postauto nach Affoltern a.A., wo ich mit dem Zug via Zürich wieder nach Basel komme. Die Gegend ist mir absolut unbekannt.

Gemeindehaus von Ottenbach
Gemeindehaus von Ottenbach