Ich bin ja meistens als Einzelmaske unterwegs. Und so alleine in der Natur zu sein, gehört für mich zum Schönsten, das ich mir vorstellen kann. Und nun reise ich ins Südtirol und laufe in einer Herde von ca. 48 Menschen. Unglaublich! Gewöhnungsbedürftig! Zum Teil enorm ermüdend, dieses Stop and Go!
Diesen Reiseanbieter habe ich zum ersten Mal gebucht und bin gespannt, wie alles organisiert ist. Der Zubringer nach Aarau ist pünktlich und der Reisebus hat Viererbestuhlung. Ich sitze neben einer Wanderin aus Breitenbach, welche mir auf der ca. 9-stündigen (inkl. diversen Pausen) Fahrt über den Arlberg und den Brennerpass beinahe ihr ganzes Leben erzählt. Mein Buch hätte ich nicht mitzunehmen brauchen. Und einmal meint sie, sie werde ganz heiser vom vielen Reden. Meinen Hinweis, dass sie ja nicht die ganze Zeit reden muss, ignoriert sie.
Müde und hungrig kommen wir nach 19 Uhr im österreichischen Sillian an der italienischen Grenze gerade recht zum Abendessen.

Und es beginnt gut. Die beiden Damen neben mir im Bus sitzen bei der Breitenbacher Kollegin und mir am Tisch. Und es bleibt die ganzen Tage über so. Und wir haben es lustig. Die Chemie stimmt, wie man so schön sagt! Ich hab in den vergangenen zehn Jahren zusammen nicht so viel gelacht wie in diesen wenigen Tagen. Das tut gut!
Ausgeschlafen und vom einladenden Frühstücksbuffet gestärkt, gehts los auf die erste Wanderung in die Reinbachschlucht im Tauferer Ahrntal. Es geht immer bergauf und zum Schluss ziemlich steil an drei tosenden Wasserfällen vorbei.



Einerseits bin ich froh, dass die beiden lokalen Wanderleiter kein allzu zügiges Tempo einschlagen. Andererseits ist es enorm ermüdend, wenn man der vielen älteren Leute wegen immer wieder stehen bleiben muss und nicht sein eigenes Tempo einhalten kann.
Die Wanderung dauert ca. 3 Stunden und überwindet 260 Höhenmeter, für mich gefühlte 1000! Und bald ist ersichtlich, dass wir auf einem Teil des Franziskuspilgerweges gehen. Überall sind Texte aus der Bibel zu sehen und sogar Grillplätze wurden gesegnet.

Selbst wenn man wollte, wäre in-sich-gehen schwierig bei den vielen Menschen.
Das Ziel dieser Wanderung ist ganz oben die Kapelle St. Franziskus und Klara. Da drin ist es herrlich kühl. Der Aufstieg hat mich trotz bedecktem Himmel enorm ins Schwitzen gebracht.



Zum Mittagessen fahren wir in den Hauptort des Pustertales, Bruneck (italienisch: Brunico). Es ist ein schmuckes, altes Städtchen mit ca. 17’000 Einwohnenden. Nach dem Spazieren durch die Altstadt wirkt das moderne Rathaus aus dem Jahre 2004 auf der anderen Strassenseite etwas befremdend auf mich.




Und dann gehen wir hoch zum Schloss aus dem Jahre 1250, welches über Bruneck thront.




Hier hat der bekannte Bergsteiger und Gipfelstürmer Reinhold Messner ein Museum zu Ehren der Bergvölker eingerichtet, das Messner Mountain Museum. Ich verstehe gut, dass er auf das Leben der Bergvölker aufmerksam machen will und auch, dass man sie schützen muss. Aber was die vielen buddhistischen Skulpturen und Figuren, die mongolischen Jurten sowie all die Statuen aus Afrika hier im Südtirol sollen, entzieht sich meinem Verständnis. All die Utensilien aus den früheren Jahren der hiesigen Bevölkerung sind allerdings passend.






Mein Geburtstag steht an. Die Sonne kann gar nicht anders als alles zu geben und den Morgennebel aufzufressen. Wow, was für ein Tag! Und wow, was für einen Ort, um den Geburtstag zu geniessen!
Noch bis vor einer Woche war der Zugang zu diesem Bijou kontigentiert. Man musste sich online in einem Zeitfenster anmelden, um herkommen zu können. Und man hört es unseren lokalen Wanderführern an, dass auch sie es grässlich finden, dass so viele Touristen den Weg hierher finden. Vor ca. sechs Wochen habe ich in einer Sonntagszeitung gelesen, wie die Bevölkerung hier die Nase voll hat von den Touristen. Beinahe habe ich ein schlechtes Gewissen, nun auch zu diesen Störenfrieden zu gehören. Aber nein, die Schönheit des Ortes lässt meine schalen Gefühle verschwinden. Ich geniesse einfach nur noch!


Der Pragser Wildsee gehört zum Unesco Welterbe Dolomiten und ist heute einer der meistbesuchten Seen im Südtirol. Bekannt wurde der See durch die italienische Erfolgsserie “Die Bergpolizei” mit dem bekannten Schauspieler Terence Hill.
Auch jetzt sind bereits einige Menschen hier, um dieses Juwel zu umwandern oder mit einem gemieteten Boot hinauszufahren. Der See ist im Schnitt 17 m tief, an der tiefsten Stelle allerdings gehts 36 m runter.


Wir beginnen unsere Umrundung und bald lichtet sich der Nebel. Ich kann mich kaum sattsehen an diesem smaragdgrünen Wunder inmitten der Pragser Dolomiten. Auch heute gehts mal steil hinauf und entsprechend wieder hinunter. Meine Knie bedanken sich entsprechend. Aber es ist insgesamt eine angenehme, leichte Wanderung von rund 2 1/2 Stunden.

Zum Picknick wandern wir ins Grünwaldtal hinein. Hier war einmal alles grün mit Lärchen, Tannen und Wiesen. Durch den Klimawandel, den Starkregen und den heftigen Stürmen wurden viele Bäume entwurzelt und massenhaft kam Geröll von den Bergen herunter. Jetzt wirken diese Murgänge von weitem wie Skipisten und alles sieht sehr öde aus in all dem Gestein und den Felsen.
Und beim Zurückgehen muss ich mich noch einmal sattsehen am Pragser Wildsee. Ist das unbeschreiblich schön hier!


Dann fahren wir nach Toblach, wo es Kaffee und Kuchen gibt. Köstlich! Die Gemeinde ist bekannt für ihre Dolomiten-Gipfel wie den Drei Zinnen und auch als Wintersportort.
Der Bus lädt jene, die wollen, in Sillian aus. Ich bin auch dabei und nutze die Gelegenheit, um Getränke einzukaufen. Das zur Verfügung stehende Stille Wasser mag ich ja nicht und hab mir jetzt morgens jeweils eine Flasche Tee gemacht.



Dann laufen wir zu Dritt der Drau entlang zügig zurück zum Hotel, wo es einen guten Capuccino gibt. Und abends nach dem Essen lade ich zur Feier des Tages die drei lustigen Frauen an meinem Tisch zu einem Gläschen Prosecco ein!
Ein neuer Tag, eine neue Herausforderung! Für mich ist es in diesen Ferien der Höhepunkt! Es sind 4 Stunden wandern angesagt. An der Reception erhalten wir für 5 Euro ein Lunchpaket bestehend aus einem belegten Brötchen, einem Apfel und einem Wasser. Wir machen Sprüche über unsere Vorstellungen von Lunchpaket. Aber es reicht zu überbrücken und abends steht ja wieder das gute und reichhaltige Buffet an.
Zuerst müssen wir hochfahren zur Auronzohütte auf 2320 m über Meer. Auch hier ist die Zufahrt kontigentiert. Und zum Glück fuhren wir früh los. Wir kommen auf Anhieb durch die Sperre. Unser portugiesischer Chauffeur ist allerdings noch nicht so geübt im Serpentinenfahren. Zwei-, dreimal stellt der Motor ab am Berg und ich schwitze bei der Vorstellung, dass wir rückwärts wieder runter müssen. Schlussendlich aber schaffen wir es zum grossen Parkplatz.
Alle sind wir gespannt wie die Regenschirme auf die Drei Zinnen, die Tre Cime di Lavaredo. Die Umrundung sei nicht ohne. Man müsse enorm konzentriert auf den Weg schauen. Auch habe es enge Stellen und abfallender Schotter. Einfach stehen bleiben, um zu fotografieren, wird uns von den Bergführern verboten. Sie würden genügend Halte einschalten, damit Fotos gemacht werden können. Die Bemerkung, dass die Zinnen hoffentlich im Nebel sind, damit wir keine Fotos machen können, welche wir in den Social Medias posten und daraufhin noch mehr Touristen kämen, überhöre ich. Nein, es macht mich wütend. Die Leute leben vom Tourismus und verdienen ihr Geld, um Touris wie uns auf diesen Wanderungen möglichst heil zurückzubringen. Da finde ich solche Bemerkungen völlig fehl am Platz!
Und natürlich verstecken sich die bekannten Dolomitenspitzen im Nebel. Aber so steigt beim Loswandern die Spannung und es ist dennoch schön hier oben, wenn auch etwas frisch.




Wir starteten an der Westseite und gehen hintereinander an der Südseite der Zinnen entlang, welche sich im Nebel verstecken. An der Ostseite kommen wir zur Lavaredo-Hütte und da zeigt sich der äusserste “Zahn” der Zinnen. Und wer genau hinschaut, sieht sogar die Kletterer in der Wand! Uah, haben die Nerven!

Bis jetzt war der Weg einfach und breit. Nun kehren wir um die Ecke, blicken hinüber zur Drei-Zinnen-Hütte und beginnen an der Nordseite der Felsenriesen zu wandern. Der Weg ist nun ein steiniger über Geröll und grosse Felsbrocken. Nun muss man wirklich aufpassen, wohin man tritt. Und da sind sie, die drei Kolosse!

Ein Wahnsinn, wenn man tatsächlich dann vor diesen drei riesigen Felswänden steht. Auch wenn der Hintergrund nicht blau ist und immer mal wieder Nebelschwaden darüber ziehen, der Anblick lässt mich demütig werden. Wow, ich habe es hierhin geschafft und es ist soooo beeindruckend, vor diesen majestätischen Bergen zu stehen. Und noch besser, zu sitzen. Wir picknicken nämlich gegenüber den Drei Zinnen und können so diese prägnanten Bergprofile richtig geniessen.


Dann gehts weiter über Stock und Stein und ich bewundere die älteren Herrschaften unserer Herde, wie die das schaffen! Gemächlich, aber sie schaffen es alle! An einer bestimmten Stelle steht der eine Bergführer hin und wartet bis wir alle vorbei sind. Da sei das letzte Mal eine Frau aus- und abgerutscht und musste mit dem Helikopter gerettet werden. Lieber nicht, gut aufpassen!
Und so sieht es aus, wenn die Gruppe anderen Wandernden entgegenkommt: wie eine aufgereihte Perlenschnur!

Zurück beim Bus werfen wir nochmals einen Blick auf dieses Felsenmassiv. War das ein tolles Erlebnis.

Wie bin ich froh, als wir die zahlreichen Kurven wieder heil hinuntergefahren sind. Und wir machen einen verdienten Halt für einen Kaffee oder/und Eis am idyllisch gelegenen Misurina-See. Und auch von hier wirken die bekannten Dolomitengipfel imposant, wenn auch nur zwei Spitzen zu sehen sind.

Und die letzte Wanderung dieser Wanderferien geht hinein in das grüne, wunderschöne Fischleintal in den Sextner Dolomiten. Hier soll Angela Merkel ein Jahr lang Urlaub gemacht haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich hier in der Abgeschiedenheit sehr gut erholen und entspannen kann.



Für uns wackere Wandernde wird es ein herrlicher Spaziergang. Der Bergführer erzählt etwas von einer Sonnenuhr und spricht vom Neuner und Elfer und Einer. Wir machen Sprüche über diese Zahlen und sehen weit und breit keine Sonnenuhr. Zurück im Hotel google ich dann nach dieser offenbar berühmten Sextner Sonnenuhr und komme recht ins Staunen. Wie die Menschen sich doch in der Natur immer wieder zu helfen wissen!
In der Talschlusshütte erhalten wir Schlipfkrapfen und zur Nachspeise einen Apfelstrudel mit warmer Vanillesauce. Mal wieder köstlich!

Gemütlich geht es durch Lärchenwälder und über Wiesen mit blühenden Herbstzeitlosen zurück. Wir erfahren noch einiges über Land und Leute. Die insgesamt drei Stunden Gehzeit sind heute nicht ermüdend und können so richtig genossen werden.



Am nächsten Morgen gehts zeitig wieder zurück in die Schweiz via Brennerpass über die 1963 eröffnete Europabrücke und über den Arlberg. Da der Tunnel renoviert wird, geht die Fahrt über den Berg und lässt bei mir Kindheitserinnerungen hochkommen. Oft fuhren wir mit unserem alten Peugeot zu einer Freundin unserer Mutter nach Innsbruck. Da gabs noch keinen Tunnel und auf der Passhöhe mussten wir regelmässig eine Picknickpause einlegen, da der Motor überhitzte. Heute wäre das nicht so toll, denn seit unserer Abfahrt in Sillian regnet es in Strömen. Die ganzen Tage über hatten wir nicht einen Regentropfen. Und nun giesst es bis kurz vor Zürich. Was solls?!
Waren das tolle Tage! Lustige Tage! Anstrengede Tage! Aber alles hat geklappt! Die Gruppe harmonierte gut und nicht einmal mussten wir auf jemanden warten, weil die abgemachte Zeit nicht eingehalten wurde. Das Hotel hat seine besten Tage gesehen. Aber es war sauber und die Buffets am Morgen und abends ausgezeichnet. So lebt es sich also in einer Herde, denke ich schmunzelnd zurück!

Herrliche Reise mit erneut wunderbaren Fotos. Bravo für die Wanderleistung!