Aare Richtung Paul Scherrer Institut

Entlang der Aare

Von der Mündung in den Rhein in Koblenz bis zur Quelle auf dem Grimselpass immer schön der Aare entlang. Mal sehen, ob ich die knapp 300 km schaffe, und was es da wieder alles zu entdecken und zu erfahren gibt!

Siebzehnte Etappe: Donnerstag, 7. September 2023: Innertkirchen – Guttannen

Endlich, endlich, endlich mache ich eine weitere Etappe an der Aare. Das hat jetzt gedauert. Nicht, dass ich auf dem Sofa lag, nein, ganz und gar nicht, aber es kam immer etwas dazwischen. Entweder machte das Wetter nicht mit, generell oder in den Bergen. Oder es warteten andere tolle Wanderungen und Ausflüge auf mich. Aber heute jetzt scheint alles zu stimmen.

Bei der über 3 1/2 stündigen Anreise sind ausser der Dampfwolke vom AKW Gösgen nirgends Wolken zu sehen am blauen Himmel. Die Morgentemperaturen sind angenehm frisch. Und so wird in Innertkirchen Grimseltor zuerst ein Gipfeli und ein Getränk genossen. Die Vorfreude auf die heutige Etappe ist riesig.

Vorbei gehts am Wasserkraftwerk Innertkirchen. Und ich kann es kaum beschreiben, wie herrlich frisch die Bergluft ist und geschnittenes Gras duftet, und wie klar sich die Berggrate vom Himmel abheben, und wie traumhaft es hier einfach ist. Vom Gartenzaun grüssen fröhlich Frosch & Co. und der Blick öffnet das Herz und lässt mich innerlich jubeln.

Und dann beginnt der Aufstieg. Laut Karte sind es 400 Meter von Innertkirchen nach Guttannnen. Und das über drei Stunden Wanderzeit. Machbar, denke ich mir! Was ich aber immer wieder vergesse, sind die vielen Auf- und wieder Abstiege. Ich weiss nicht, wieviele Höhenmeter ich tatsächlich überwinde heute. Aber ich komme an meine Grenzen!

Wenn ich denke, die Höhe gewonnen zu haben, gehts wieder hinunter, muss wieder die lärmende Passstrasse überquert werden, um auf der anderen Seite wieder hochzusteigen. Für die Motorradfahrer muss der heutige Tag auch phänomenal sein. Sie sind auf jeden Fall zahlreich in den Kurven unterwegs.

Unterwegs werden Schluchten umgangen und viele felsige Formationen bieten dem Auge etwas. Ab und an muss ich Wasser überqueren. Ich mag das nicht, aber meine neuen Bergwanderschuhe sind nicht nur sehr bequem. Nein, sie sind zum Glück auch wasserdicht.

Es dauert einige Zeit bis ich mal wieder die Aare sehe. Tief unten fliesst sie da als Gebirgsbach. Das Rauschen begleitet mich aber die ganze Zeit über. Und beim Abstieg zur Innere Urweid ist sie in ihrer ganzen Pracht mal wieder zu sehen.

Und nach der Inneren Urweid quere ich die Aare und der Aufstieg beginnt wieder. Ich hab zwar die Ausdauer weit zu wandern, aber die Kondition, wenn es aufwärts geht, fehlt mir total. Zum Glück führt der Weg viel durch den Wald, also im Schatten, und die Temperaturen sind am Morgen auch noch nicht so heiss. Aber die Puste, oh weh!

So komme ich schweissgebadet zur Sprengfluh. Hier wird auf einer Tafel beschrieben, dass dies der alte Säumerweg von Italien ins Haslital war. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Strasse über den Grimselpass eröffnet und damit auch der schwierige Säumerweg überflüssig. Ich stelle mir heute oft das mühsame Gehen mit Tieren und Waren in früheren Zeiten vor.

Es geht weiter über neu erstellte Brücken und über saftige Bergwiesen mit weidenden Kühen. Mit Hörnern! Erinnerungen an meine Kindheit, wo es ausschliesslich Kühe mit Hörnern gab. Nicht so schön finde ich die abgelegten Pneus am Wegesrand. Dabei kommt mir der Pneuabrieb in den Salaten neben den Autobahnen in den Sinn. Kürzlich vom K-Tipp aufgedeckt!

Es geht wieder hinunter und beim Örtchen Boden setze ich mich bei einem Bauernhof auf eine Bank und esse meinen Proviant. Und die Aussicht ist auch mal speziell: Miststock mit Bagger!

Es geht durch das schmucke Dörfchen mit schönen Chalets hinunter zur Strasse. Diese überquere ich und über die Brücke über die Aare geht es auf der anderen Seite wieder hoch. Es wird auf einen erschwert begehbaren Wanderweg aufmerksam gemacht. Ich wandere meistens mit der SwissMobil App. Und da sind die Wanderwege mit Umleitungen jeweils gut markiert. Für diese Strecke sind keine Angaben gemacht. Also sorglos weiter hinauf. Nun wird es schwieriger, da der Weg an der Sonne ist und es heiss wird. Jeder Flecken Schatten erfreut mich!

Der Weg wird flacher und ich erhole mich etwas auf dem leichten Abstieg. Da steht eine Tafel mit Park- und Halteverbotszeichen. Gefahrenzone! Ohoh, was jetzt? Aber beim genauen Hinschauen sehe ich, dass der Weg passierbar ist. Da muss bei einem Gewitter oder bei Starkregen die Aare über das hier sehr breite Flussbett getreten sein und hat viele Steine und Felsbrocken mitgerissen. So muss ich über die Wiese gehen anstatt auf dem Weg. Aber das ist ja nicht schlimm!

Schlimm für mich wird der neue Aufstieg. Steil, in vielen Kehren, endlos scheinend, an praller Sonne… Ich spüre Muskeln, welche ich kaum kannte. Die Hitze gibt mir zu schaffen trotz Sonnenhut! Ich überlege mir immer wieder: was, wenn ich einfach nicht mehr weitergehe? Wenn ich mich einfach hinsetze? Ich bin auf dem ganzen Weg nur einem Menschen begegnet. Mich wird keiner finden. Läck, bin ich k.o.!!!

Bei Blindlouwi stelle ich mich bei einem Bänkli in den Schatten und trinke und nehme kandierten Ingwer. Zucker, der direkt ins Blut schiesst, mir wieder Kraft gibt. Noch mehr die Erinnerung an einen Bericht, dass der Weg ab hier mehr oder weniger eben verläuft bis Guttannen.

Und yeah, da sehe ich die ersten Dächer. Das muss mein heutiges Ziel Guttannen sein. Noch einmal über die Aare! Ein herrlicher Bergbach!

Aare bei Guttannen
Aare bei Guttannen

Hinein in das Dorf mit seinen hübschen Holzhäusern, blühenden Gärten und dem Kirchlein, dessen Uhr nur einen Zeiger hat. Ich habe kaum Zeit, alles zu bestaunen, fährt schon das Postauto zurück Richtung Meiringen vor. Und da dieses erst in zwei Stunden wieder fährt, bin ich gleich an Bord.

Die Rückfahrt im vollen Bus geniesse ich enorm. Sitzend die ganze Strecke nochmals zu sehen. Und gleichzeitig bin ich stolz, dass ich es geschafft habe bis hierhin. Die Gegend ist unglaublich schön und es war ein grossartiger Tag.

In Meiringen belohne ich meine Anstrengungen mit einem einheimischen Meringue Glacé. Mmmmh…

Und um den Tag krönend abzuschliessen, passt der Anschluss in Brienz auf das Dampfschiff Lötschberg über den türkisblauen Gletschersee nach Interlaken.

Auf dem Brienzersee
Auf dem Brienzersee

Ich bin heute wieder knapp 12 km gegangen mit ca. 17’000 Schritten und 30 Stockwerken.

Vermutlich war das meine letzte Etappe an der Aare. Der weitere Weg ist wegen Murgängen und Hangrutschen vorläufig gesperrt. Und beim Grimselstausee ist zur Zeit alles gesperrt, da bis Ende 2024 die Staumauer erhöht wird.

Es war ein tolles Erlebnis über die Monate vom eiskalten Start in Koblenz bis zur heissesten und schwersten Etappe heute. Was habe ich alles gesehen und Neues hinzugelernt!

Allen zu empfehlen und: geht raus und bewegt euch. Wenn man stehen bleibt, kommt man nicht weiter!

Sechzehnte Etappe: Montag, 12. Juni 2023: Meiringen – Innertkirchen

Es ist eine kurze Etappe heute, die kürzeste bis jetzt. Aber wohl die eindrücklichste.

Die Anfahrt wird wieder umständlicher und länger. Umsteigen vom Tram in den Zug in Basel. Dann in Interlaken Ost und ankommen in Meiringen. Als erstes begrüsst einen die Istanbul-Imbiss-Bude. Na dann!

Durch das Dorf ist man schnell hindurch und beim Queren des Alpbaches zeigt mir eine Mutter ungefragt den Weg zur Aareschlucht. In gut zwanzig Minuten ist man vom Bahnhof beim Eingang West der 1400 m langen und 200 m tiefen Schlucht.

Auf einem Schild wird darum gebeten, nicht vom Weg abzuweichen. Ich frage mich schmunzelnd, wie man da abweichen sollte. Ausser glatte Felswände und reissendes Wasser gibts hier nichts. Aber nichts ist unmöglich, haben mich meine Jahre gelehrt!

Es empfängt einen eine angenehme Kühle in den Felsen drinnen und immer wieder bieten Felsenlöcher wie Fenster Ausblicke in die Höhen und Tiefen.

Imposante Gletschermühlen im Felsen, enge Spalten zwischen den Felsen und altes Gerät des Stegbaus sind zu sehen. An der engsten Stelle ist es nur ein Meter zwischen den Wänden. Und man kann sich kaum vorstellen, wie hier die Schlucht begehbar gemacht wurde. Utensilien hängen zwischendurch zur Erinnerung an den Felswänden.

Und wenn die Schlucht etwas breiter wird, wagt sich sogar die Sonne hindurch und lässt tolle Bilder zu:

Hallo Sonne...
Hallo Sonne…
Mitten in den Felsen
Mitten in den Felsen

Und wenn man so mitten in den Felsen steht, könnte man beinahe Platzangst bekommen. Aber es fasziniert der Blick hinab in das reissende Wasser. Es ist fast nicht vorstellbar, dass daraus mal die breite Aare wird und so viele Freizeitsportler aufnimmt, sei es schwimmend oder im Boot.

Reissende, tosende Aare
Reissende, tosende Aare

Dann gelange ich zur breitesten Stelle der Schlucht. Es sind hier, wo der Schräybach aus der gegenüberliegenden Felswand schiesst, 40 m Breite. Da lässt die Natur Farne, Gräser und sogar Bäume wachsen.

Dann komme ich um die Ecke und da ist die Hinweistafel auf den Hasliadler gegenüber im Felsen und den Eingang zur Kaverne aus dem zweiten Weltkrieg. Offenbar wurde es eine Luxusunterkunft für die damalige Zeit mit Strom und fliessendem Wasser auf den Toiletten. Aber benutzt wurde die Anlage nie. Verschwendung der damaligen Steuergelder?

Und dann stehe ich vor dieser immensen Felswand! Da wird einem die Kraft der Naturgewalten bewusst. Und beim Weitergehen komme ich dem Ausgang der Schlucht immer näher. Es waren nicht viele Touristen da, aber dafür laute. Und Kinder, um die mir bange wird, wenn ich an das brausende Wasser denke.

Felswände
Felswände

Ein Blick zurück und das Naturspektakel ist vorbei! Immer wieder imposant und herrlich kühl in der sommerlichen Hitze!

Es ist Mittagszeit und die Sonne steht hoch, sie brennt. Ich gehe weiter nach Innertkirchen zum Grimseltor. Ein Wegweiser sagt mir, dass es über drei Stunden wären nach Guttannen. Aber dazu habe ich heute keine Lust mehr. Und da die Zentralbahn eben einfährt, fahre ich zurück nach Meiringen. Hier esse ich auf einer Bank im Schatten meinen Proviant und nehme dann den Zug über den Brünig, an den Seen vorbei nach Luzern und Basel.

Es war eine eindrückliche Strecke heute, wenn auch sehr kurz mit nur knapp 7 km und 9’000 Schritten. Aber das Programm diese Woche hat noch einiges vor mit mir. Ich darf es ja auch einmal etwas gemütlich nehmen!

Fünfzehnte Etappe: Donnerstag, 1. Juni 2023: Brienz – Meiringen

Today first I want to greet Shanji, the young woman I met in the train to Interlaken. For me it was a very interesting entertainment. I hope you had three great days with your sister and I wish you a successful time in your job in Estonia and a fine return to your home at Singapore.

Ja, das war eine kurzweilige Fahrt entlang des Thunersees im Gespräch mit der jungen Frau aus Singapur.

In Brienz gehts gleich entlang des Sees zur Mündung der Aare. Sie führt da bereits dieses Türkisblau, welches den Brienzersee dann so speziell macht. Zuerst stehen da aber einige geschnitzte Figuren Spalier entlang des Weges. Und der Campingplatz liegt zwar super schön am See direkt neben der Badi. Aber unter der Woche ist von Ruhe nicht viel her, da dauernd Militärjets zur Übung vom Flugplatz Meiringen starten und auch wieder landen.

Auf der heutigen Etappe erwartet mich viel Asphalt. Ein Beschrieb aus dem Jahre 2015 hat mich darauf vorbereitet. Und tatsächlich hört der Weg kurz nach dem Brienzersee auf. Entweder gehe ich über eine Wiese mit weidenden Kühen, nein danke, oder auf dem asphaltierten Strässchen. Dann gehts überhaupt nicht mehr weiter und ich überquere eine alte ungesicherte Brücke und stehe vor dem Geleise der Zentralbahn. Ich quere auch dieses und quetsche mich unter einem Zaun hindurch, um einem eventuell herannahenden Zug zu entkommen.

Dann wirds ungemütlich, weil ich beinahe eine Stunde am Rande der Überlandstrasse gehen muss. Heranbrausende Töffs, Traktoren auf dem Weg zur Wiese und Autos kommen mir entgegen. Und da helfen mir die interessanten Felsformationen auf der Seite auch nicht recht zur Ablenkung.

Bei der Bahnstation Brienzwiler erspähe ich nach dem Biohalt einen gelben Wegweiser, juhui. Von nun an gehts wieder abseits der Strasse entlang der begradigten Aare und des Bahngleises auf einem relativ neu erstellten Wanderweg weiter. Vor dem Übergang der Strasse hoch zum Freilichtmuseum Ballenberg steht da noch eine tolle Bank. Ob das funktioniert?

Mitfahrbank
Mitfahrbank

Und nun begleiten mich rechts an den Felsen immer wieder Wasserfälle. Obwohl es diesen Winter nicht so viel Schnee gab, fällt da doch pausenlos Wasser in die Tiefe. Bei Hirssi setze ich mich am Waldrand auf eine Bank und verspeise meinen Essvorrat und trinke fast einen halben Liter aufs Mal. Es ist heiss heute am meteorologischen Sommeranfang, und ich laufe meistens an der Sonne. Gut, sind Sonnenhut und -schutz mit dabei.

Mir tuts irgendwie weh, dass hier die Aare so eingezwängt ist in einen Kanal. Zum Glück sind die Ufer gut verwachsen. Überhaupt wimmelt es heute von Blumen und blühenden Wiesen mit Margeriten, Mohn, Witwenblumen (Guufechüssi), Gräsern, wildem Salbei und Spitzwegerich in weiss und rot.

Ich komme durch ein weiteres Aare-Auengebiet beim Sytenwald. Wunderschön ist es hier und Bäche fliessen zur Aare und Enten und Blesshühner jagen sich und Libellen fliegen umher. Das ist ein wunderschönes Naherholungsgebiet für die Menschen aus Brienz oder Meiringen. Vielleicht, wenn sie etwas Abstand zu den Touristenströmen brauchen. Am romantischen Funtenenseeli kann sogar grilliert werden.

Und wie ich wieder direkt zur Aare komme, fährt die Zentralbahn vorbei.

ZB: Brienz - Meiringen
ZB: Brienz – Meiringen

Nun ist es nicht mehr weit bis zu meinem heutigen Ziel. Ich sehe bereits weit vorne zur Linken den Alpbachfall hinunter stürzen. Aber da sehe ich auf einer Witwenblume eine Biene sitzen und denke mir, dass dies ein gutes Foto geben könnte. Ich mache ein paar Schritte zurück und zücke mein Handy. Und da gelingt mir ein anderes tolles Foto. Dieser zufällige Blick ist mein absolutes Highlight dieser Etappe: der Schwalbenschwanz ernährt sich in grosser Ruhe auf einer anderen Witwenblume.

Schwalbenschwanz
Schwalbenschwanz

Ich kann mein Glück kaum fassen, denn rund um Basel ist dieser Schmetterling selten mehr zu sehen.

Und der Weg führt durch eine Allee von Obstbäumen und an weidenden Kühen vorbei ins Zentrum von Meiringen. Da sitzt er noch, der Sherlock Holmes gleich vor dem gleichnamigen Museum in der kleinen Kapelle und neben dem Denkmal an den Bergführer Melchior Anderegg und den britischen Bergsteiger Sir Leslie Stephen.

Und was ist ein absolutes Muss, wenn man nach einer Wanderung über ca. 3 1/2 Stunden in Meiringen ankommt? Genau, das Geniessen einer Meringue. Göttlich! Aus dem St. Galler-Tagblatt finde ich folgende Erklärung zu diesem Dessert:

“Einfacher geht’s nicht: Gezuckertes und geschlagenes Eiweiss bei 100 Grad mehr trocknen als backen, reichlich Schlagrahm dazu – und fertig ist eines der beliebtesten Desserts. Aber es ist wie bei jeder Erfindung: Man muss halt drauf kommen. Der Legende nach tat dies ein italienischer Konditor namens Gasparini, wohl im 18. Jahrhundert. Weil er in Meiringen im Berner Oberland wohnte, bekam seine Kreation den Namen Meiring (Mehrzahl Meiringe). Im französischen Sprachraum wurde daraus Meringue. Nach dem verzückten Ausruf «Oh, that’s like a kiss!» der englischen Königin setzte sich auch der Name Baiser (französisch für Kuss) durch. Schöne Legenden in unsicherem Feld – auf dem noch ein Name mitklingt (und die Weltläufigkeit des Dings bezeugt): Meringue oder Baisers heissen da und dort auch «spanischer Wind». (Hn.)”

Mmh, e Merängge...
Mmh, e Merängge…

Den Heimweg trete ich via Brünigpass, Lungern-, Sarner- und Vierwaldtstättersee und Umsteigen in Luzern an. Es waren rund 20’000 Schritte heute und 14 km. Die Hitze macht müde und ich freue mich auf eine erfrischende Dusche.

Vierzehnte Etappe: Montag, 22. Mai 2023: Thun – Brienz

Vor einer Woche war für heute noch eher schlechtes Wetter angesagt. Es war mir eigentlich egal, weil ich ja mehrheitlich drinnen sitzen konnte. Umso schöner, dass sich die Wetterlage dann anders entwickelte und der ganze Tag in warmer Sommerstimmung lag.

Heute werde ich von einer langjährigen Kollegin begleitet, welche auch gerne Schifflein fährt. Da die Aare durch den Thuner- und den Brienzersee fliesst, erlaube ich mir, diese Strecken auf dem Schiff zu geniessen.

Wir starten früh in Basel und erreichen in Thun das Frühstücksschiff nach Interlaken West.

Kaum haben wir den Kanal aus der Stadt Thun verlassen und noch einen letzten Blick auf den Campingplatz von Gwatt geworfen, gehe ich Kaffee und Gipfeli holen. Bietet sich ja direkt an auf dem Frühstücksschiff. Aber denkste! Weit gefehlt! Der Kaffee geht in Ordnung, aber die Gipfeli sind bereits alle! Sie hätten an einem Montag nicht mit vielen Passagieren gerechnet, so die Erklärung! Murgs!

Wir geniessen die gut zweistündige Fahrt! Ich fühle mich beinahe wie zuhause. Wie oft bin ich das schon gefahren! Beim Niesen muss ich wieder den Spruch aufsagen: Hat der Niesen einen Hut, bleibt das Wetter weiter gut! Wir haben es uns verdient. Der Blick auf Spiez ist mal wieder anders als aus dem Zug, und so über den See zu schauen: einfach herrlich! Was geht es uns doch gut!

In Interlaken bleibt uns die “Wanderung” der Aare entlang von West nach Ost an den Brienzersee. Wir kommen an alten Hotels vorbei, sehen in der Weite die Grosse Staatsschleuse und erhaschen einen Blicke auf die verschneite Jungfrau.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange es dauert bis zur Schiffsstation am Brienzersee. Auf dem Wegweiser steht eine halbe Stunde. Nun haben wir also genügend Zeit für unser Picknick. An der Landungsstelle der Schiffe essen wir unseren mitgebrachten Proviant und dann gibts beim Kiosk noch ein feines Eis im Kübeli.

Und beim Warten auf den Raddampfer “Lötschberg”, dem Bijou des Brienzersees, gehts los! Diese Touristenmengen, grauenhaft! Grauenhaft! Ich sage mir, dass dieses Gebiet wohl von ca. April bis ca. Ende Oktober grossflächig gemieden werden muss und die Einheimischen tun mir leid! Was für ein Getümmel aus Indien und Asien!

Bald zieht mich aber wieder die sagenhafte Farbe des Brienzersees in den Bann. Einfach wunderschön!

Türkisblauer/-grüner Brienzersee
Türkisblauer/-grüner Brienzersee

Als ich zum dritten Mal von einer Asiatin ihren Ellenbogen in den Rücken gerammt bekomme, fluche ich sie an, wie ich es schon ewig nicht mehr getan habe! So rüpelhafte Menschen!

Bei Iseltwald flippen viele Touris aus Asien aus. Es muss mit etwas aus der Filmwelt zu tun haben. Viele steigen aus, aber viele auch wieder ein. Ich mache mich schlau im Internet: Iseltwald ist in einigen Episoden einer südkoreanischen Fernsehserie zu sehen!

Weiter kommen die Giessbachfälle mit dem gleichnamigen Hotel, welches vor einer gefühlten Ewigkeit, 1983, vom Umweltschützer Franz Weber vor dem Abriss gerettet wurde. Zum Glück!

Und dann sind wir ja schon in Brienz. Das Innere des Dampfschiffes hätte wohl wieder meinen Enkel besonders interessiert. Es ist heute ja auch etwas eher Ungewohntes! Wir verlassen das Schiff und ich schaue auf den Wegweisern, wie und wo es bei meiner nächsten Etappe weitergeht. Dann haben wir noch genug Zeit für einen Kaffee und fahren mit Umsteigen in Interlaken Ost direkt nach Basel. War das ein schöner sonniger und gemütlicher Tag! Danke für die nette Begleitung und bis auf bald!

Dreizehnte Etappe: Donnerstag, 18. Mai 2023: Wichtrach – Thun

Zuhause lachte der Himmel azurblau mit der Sonne um die Wette und ich komme in Wichtrach bei bewölktem Himmel und kühen Temperaturen an. Ich hätte heute sogar wieder Handschuhe anziehen können gegen die Kälte. Also zügig gehen heisst die Devise, um schnell warm zu bekommen.

Bei der Bushaltestelle Gerzensee-Thalgut steige ich aus dem Bus und gehe hinunter an die Aare.

Die heutige Etappe ist bis anhin die kürzeste entlang der Aare und somit wohl auch schnell erzählt. Kurz nach Jaberg quere ich bei Kiesen wieder die Aare und komme in einen wunderschönen und bereits grün belaubten Wald. Auf der Höhe Rotachen gehts noch tiefer links in den Wald hinein und entlang der Rotach, welche etwas weiter oben überquert werden muss. Dann sind einige lauschige Grillstellen und Plätzchen am Wasser zu sehen. Und die Natur zeigt ihre eigenen Skulpturen am Wegesrand.

Gegenüber am anderen Ufer sind kleinere Höhlen zu sehen und wunderschöne Vorhänge aus Flechten oder Efeu. Ich vermute Eisvögel dort drüben, denn die wippenden Wasseramseln habe ich bereits entdeckt. Wäre toll, wenn sich noch so ein blau schillernder Vogel zeigen würde.

Gegenüberliegendes Ufer
Gegenüberliegendes Ufer
Blättriger Vorhang
Blättriger Vorhang

Bei Uttigen führt wieder eine Eisenbahnbrücke über die Aare und die Fussgänger haben einen Steg für sich gleich daneben. Ich mag diese Übergänge nicht, mache aber wohl oder übel mit. Dann komme ich an der ARA bei Heimberg vorbei. Und zum Glück riecht es hier überhaupt nicht danach. Mir kommt jene von Lyss in den Sinn und ich bemerke, wie lange das schon zurückliegt.

Heute sind viele Leute unterwegs, morgens hauptsächlich Jogger und immer wieder Menschen mit ihren Hunden. Vor Steffisburg überquert die A6 die Aare und dann rauscht gegenüber die Zulg in die Aare hinein, und der Aarefeldsteg weist den Weg hinein nach Steffisburg. Der romantische Mühlibach wird von einer Trauerweide beinahe versteckt.

Bei Schwäbis spazieren zwei Frauen mit elf, richtig: elf Hunden vor mir. Ob das Züchterinnen sind? Sie setzen sich kurz auf eine Bank und da Mittagszeit ist, mache ich es ihnen gleich und esse mein Picknick, begleitet vom Gebimmel von hinter mir weidenden Schafen.

11 Hunde an der Leine
11 Hunde an der Leine

Nach dem links abgesperrten Militärgebiet bin ich nun schon in Thun. Vorbei am alten Turm bei der Migrosbrücke, entlang des Rathausquai erblicke ich das über der Stadt thronende Schloss und stehe plötzlich auf dem Rathausplatz vor dem imposanten Rathaus und dem Gasthof Krone.

Beim Mühleplatz sitzen die Leute in Decken gepackt draussen und geniessen etwas Leckeres. Mir ist es zu kalt und ich bekomme meinen Kaffee in einer Gelateria an der Wärme. Dabei denke ich mir, dass ich nun schon ein grosses Stück durch die Schweiz gegangen bin vom Rhein in Koblenz bis hier an den Thunersee und bin etwas stolz auf meine vollbrachte Leistung.

Auf dem Weg zum Bahnhof komme ich an der bekannten alten, gedeckten Holzbrücke aus dem Jahre 1726 vorbei. Und wie immer, wenn ich da vorbei komme, sind Leute am Surfen in den Wellen der Aare. Faszinierend!

Im direkten Zug nach Basel zeigt mir mein Handy, dass ich nach 3 Stunden 14 km zurückgelegt habe und knappe 19’000 Schritte gegangen bin. Ich freue mich schon auf die nächste Etappe, die wird gemütlich!

Zwölfte Etappe: Freitag, 12. Mai 2023: Bern (Elfenau) – Wichtrach

Ich gehe heute kurz durch die Anlage Elfenau und bestaune die alten Gebäude, den lustigen Brunnen und das vielseitige Angebot, bevor ich hinunter gehe an die Aare.

Und dann werde ich doch gleich zu einer Flugshow eingeladen. Ohrenbetäubender Lärm vom Himmel mit alten Flugzeugen und Helikoptern. Ich denke mir, diesen Empfang hätte ich jetzt nicht wirklich gebraucht. Und leider begleiten mich die lärmenden Flugübungen vom nahen Flugplatz Belp über eine Stunde. Darauf hätte ich jetzt wirklich verzichten können. Im Zug war schon so ein turbulentes Geschnatter, sodass ich mich auf die Ruhe in der Natur gefreut hatte. Denkste!

Lange habe ich mir überlegt, ob ich es heute mit der Wanderung riskieren soll. Das Wetter ist ja ziemlich unbeständig zur Zeit. Aber ich bin ja ein Glückspilz und hatte heute keinen einzigen Regentropfen zu spüren bekommen. Dafür sehr viel Natur pur. Der Weg von Bern Richtung Münsingen ist inmitten eines Waldes. Links Tümpel und Schilfgebiete und rechts fliesst rasch die türkisblaue Aare dahin.

Kurz vor dem Gebiet Bodenacker fährt wieder eine Fähre über das Wasser. Schön zuzuschauen, wie der Fährmann dem reissenden Wasser trotzt und die Leute zum Fähribeizli rüber bringt.

Es gibt von der heutigen Wanderung eigentlich nicht viel zu erzählen. Kein einziges Kraftwerk liegt am Wasser und von Industrie ist weit und breit nichts zu sehen. Was mich richtig glücklich macht, ist die ca. zehnminütige Begleitung des Rufes eines Kuckucks. Schon zum zweiten Mal auf dieser Aarewanderung. Was für ein Glück! Hätte da nicht ein Hund gekläfft, hätte der seltene Vogel wohl noch länger gerufen!

Und die Plakate an die Geniesser der Natur wie mit dem Abfall umzugehen ist, finde ich auch lustig. Hab das Foto auf dem Heimweg einem Jungen gezeigt, welcher im Zug beim Aussteigen zwei Bierdosen “vergessen” hatte, mitzunehmen. Auch er musste schmunzeln und hat die Dosen dann entsorgt.

Plakat gegen Abfallsünder
Plakat gegen Abfallsünder

Vor vier Jahren bin ich diese Strecke an einem heissen 1. August schon mal gewandert. Kein Vergleich zu heute! Da war das Ufer wie auch die Aare voll von Party machenden Menschen mit ihren Ghettoblastern und den aufgeblasenen Gummibooten, Flamingos und Einhörnern. Und am darauf folgenden Tag hatte ich überall juckende Mückenstiche. Nichts davon heute!

Bei der hölzernen Auguetbrügg aus dem Jahre 1836 wechsle ich auf die andere Uferseite und laufe nun ein Stück unbekannten Weges.

Und auch auf dieser Seite Natur pur. Und es ist ruhig geworden in der Zwischenzeit. Es hat viele kleine Pfade ans Wasser und zwischen den Bäumen und Sträuchern schimmert immer wieder das Wasser wunderschön türkisblau.

Und schon komme ich zur Hunzigerbrügg und Erinnerungen werden wach. Hier habe ich mal im Restaurant Campagna mit einer Internetbekanntschaft The Jackys gehört. So richtig “bärndütscher” Boogie Woogie. Herrlich!

Ich überquere die Aare wieder und gehe zweimal über einen Rubi-Stäg, welcher einen auf und von einer kleinen Insel bringt.

Und den Rest des Weges wird es wieder laut, sehr laut. Der Weg verläuft parallel zur A6 links. Das Rauschen des Wasser rechts ist kaum mehr zu hören. Auf der Höhe von Münsingen setze ich mich ans Wasser und esse mein Sandwich. Der Blick auf das ewig fliessende Wasser verleitet einem beinahe zum Meditieren.

Der Weg führt hoch auf eine stark befahrene Strasse nach Wichtrach. Ich warte ca. 10 Minuten auf den Bus, der einmal die Stunde zum Bahnhof von Wichtrach fährt. Wieder Glück gehabt oder gutes Timing! Die S-Bahn bringt mich in die Bundeshauptstadt, wo ich den Zug nach Basel nehme.

Wieder vier Stunden gegangen und mit 23’500 Schritten 17 km zurückgelegt. Das nächste Mal komme ich bereits nach Thun, so guet!

Altes Signal im Bahnhof Wichtrach
Altes Signal im Bahnhof Wichtrach

Elfte Etappe: Donnerstag, 4. Mai 2023: Bern (Bremgarten) – Bern (Elfenau)

Es soll heute den ersten Sommertag des Jahres sein! Und mit der Brücke gleich zu Beginn der Etappe passiere ich heute 15 Brücken, Eisenbahnbrücken, Fussgängerbrücken, Autobahnbrücken! Und die Kuriosität der heutigen Etappe: ich starte in Bern, gehe ca. 4 Stunden und bin immer noch in Bern!

Ja, die Anreise ist einfach: direkter Zug in die Bundeshauptstadt und der Bus weiter zur Aare. Ich beginne wieder dort, wo ich letztes Mal aufgehört habe, nur auf der anderen Uferseite. Bei der Station Bern-Fährstrasse gehe ich hinunter ans Wasser und gleich unter der ersten Brücke durch. Was für ein klarer Tag wieder! Nachts hats geregnet und nun strahlt die Sonne in einen frischen Tag.

Es geht gleich Treppen hoch und durch den Wald. Eine lautstarke Schulklasse begegnet mir und weiter vorne gehts steil wieder hinunter zum idyllischen Zehendermätteli.

Hier herrscht ein Stück Frieden oder wie es heisst: “Wagen zum Glück”. Restaurant, Gärtnerei, Kultur, wirklich etwas Spezielles mit eigenem Konzept. Aber ich will nicht wissen wie es ist, wenn es später am Tag ist und alles bevölkert und in Besitz genommen wird. Dann wird es wohl aus sein mit der Stille hier unten.

Tja, und da muss doch eine Brücke sein. Ich muss ja auf die andere Seite der Aare. Ich sollte einfach die Karte jeweils besser studieren. Keine Brücke! Aber dafür, wie toll, eine Fähre! Und da kommt auch schon die Fährfrau und eine weitere Kundin. Ich sage, dass ich die Fähren nur von Basel her kenne, aber das System wohl dasselbe sei. Die Fährfrau bestätigt mir, dass auf der ganzen Aare das Fährsystem immer das gleiche sei. Ähm, Basel liegt am Rhein, kreisch, aber ich geniesse still die Fahrt über den ziehenden Fluss. Was für ein tolles Erlebnis!

Weiter des Wegs bei Unterzollikofen passiere ich das Schloss Reichenbach und eine weitere Fähre. Die wirkt aber nicht so urchig und hat zudem zusätzlich einen Motor montiert. Es geht durch ein Gartenrestaurant hindurch, wo die Leute schon beim Apéro sitzen.

Heute macht die Aare sehr viele Biegungen und ich komme nun zu einem seltenen geraden Stück über den Steinibach und an der ARA von Worblaufen vorbei. Dann eine Kurve und die erste Brücke für Bahn und Auto liegt vor mir. Hier wird gebaut und Fussgänger müssen sich den Weg über eine riesige Baustelle suchen. Beim Löchligut wird das Ufer neu bepflanzt und gestaltet und nach weiteren Flusskurven gehts unter der Autobahnbrücke A1 bei Felsenau durch. Die Brücken sind so hoch, dass sich der Lärm in Grenzen hält.

Es wird wieder etwas ländlich und der Wald spendet Schatten. Erst noch habe ich auf den Wanderungen gefroren und musste mich dick einpacken. Heute kann ich kurzarm und ohne Jacke laufen. Und die nun zahlreichen Joggenden kommen auch in sommerlichen Outfits daher. Es werden immer mehr, Mittagszeit, und einem hätte ich beinahe gesagt: Mind your Head!

Aufgepasst, Kopf einziehen!
Aufgepasst, Kopf einziehen!

Äussere Enge, ein weiteres Wasserkraftwerk mit weit offenen Schleusen. Das hat die Fährfrau erwähnt, weil die Aare so einen Zug hat. Vorbei am noch geschlossenen Bad Lorraine und wieder eine Eisenbahnbrücke. Darunter liegen die Gebäude der Brauerei und Eisfabrik R. Gassner, erbaut 1891. Mich fasziniert das Alt und Neu übereinander.

Auf dem Boden fallen mir Beschriftungen auf und ich vermute, dass dies wohl charmante Aufforderungen aus der Pandemiezeit sind, Abstand zu wahren und auf sich aufzupassen.

Ich kann mir vorstellen, dass hier viele Menschen spazieren gingen während der Lockdowns. Heute sind enorm viele Leute am Joggen und auch bereits beim Schwimmen in der Aare. Das Wasser muss doch noch kalt sein! Ich google kurz: heute doch schon 12.34 Grad. Najaaaaaaa….

Schon sehe ich erstmals die Spitze des Münsterturms und eine weitere Brücke vor mir. Hier wieder toll mit dem zusätzlichen Fussgängerübergang.

Brücke beim Quartier Altenberg
Brücke beim Quartier Altenberg

Ich merke, dass ich nun mitten in der Stadt Bern bin. Langsam habe ich Hunger und ich halte Ausschau nach einem Picknickplätzchen. Noch um die letzte grosse Schlaufe vom heutigen Tag beim Bärenpark. Hier gleich zwei Brücken, die grössere, die Nydeggbrücke, für den Autoverkehr; die kleinere wird hauptsächlich von Spazierenden benutzt.

Kurz vor dem Schwellenmätteli setze ich mich hin und esse zu Mittag. Ich bin heute mal wieder schnell müde und sinniere darüber, weshalb dem so ist. Das viele Asphaltlaufen ermüded immer und die plötzliche Hitze mag ich auch nicht. Wir haben jetzt 23 Grad. Ist ja toll, aber es ermüded mich!

Was mich aber wieder aufmöbelt ist das Emblem an einer Mauer beim Schwellenmätteli. Yeah, hopp YB!!! Ein halbes Leben musste ich auf einen Meistertitel der Jungs warten. Und die letzten Jahre haben die Boys nun aber gleich mehrmals erfüllt. Eigentlich ist mir Fussball egal. Im Vergleich zum Eishockey finde ich ihn langweilig. Aber als Bernerin geniesse ich die Situation, weil rund um mich nur rotblaue Augen in den Alltag schauen!

Beim Weitergehen eine weitere Brücke und wenn ich mal zurückschaue, steht da in seiner ganzen Pracht das Regierungsgebäude der Schweiz, das Bundeshaus.

Wie weit mag ich noch gehen? Ich komme durch ein Quartier mit hübschen alten Häusern und Gärten, gegenüber das bekannte Schwimmbad Marzili. Beim Tierpark Dählhölzli mache ich einen Kaffee- und Biohalt. Ich hoffte, hier eine Bushaltestelle zu sehen. Nö, also weiter am Tierpark vorbei.

Und irgendwie war der Entscheid zum Weitergehen okay. Mir kommt eine entspannt wirkende und zufrieden lächelnde Simonetta Sommaruga, alt Bundesrätin, entgegen. Sie hatte zuletzt doch eine stressige Zeit und irgendwie vermute ich, dass es ihrem Mann besser geht, wenn sie so gemütlich dahin schlendern kann. Gönnen würde ich es ihr.

Bei der Parkanlage Elfenau komme ich hoch zum Bus. “Die Elfen tanzten auf dieser Wiese – ich werde mein Gut “Elfenau” nennen!” sagte Anna Feodorowna, Grossfürstin von Russland, 1816. Ja, schön ist es hier mit Blick auf die Aare.

Weitere 17 km, zig Brücken und Kehrungen der Aare, über 23’000 Schritte und 13 Stockwerke liegen hinter mir und entsprechend bin ich k.o. Via Hauptbahnhof Bern komme ich wieder gut nach Hause!

Zehnte Etappe: Mittwoch, 26. April 2023: Fuchsenried – Bern (Bremgarten)

Eigentlich gibt es über die heutige Strecke gar nicht viel zu erzählen ausser, dass es wieder ein Highlight war.

Die Anreise ist mit umsteigen in Bern und Bern-Brünnen Westside wieder etwas umständlich. Aber daheim ist es ein richtiger Herbstmorgen mit dickem Nebel. Und hier am Wohlensee scheint einfach nur die Sonne bei beinahe wolkenlosem Himmel.

Der Weg ist anfangs auf der Strasse, also auf Asphalt. Nach einer halben Stunde aber ist der Wanderweg immer auf Naturwegen, meist im Wald oder direkt am Wasser. Ab und an gehts auch heute hinauf zu einem Bauernhof oder Weiler, etwa bei Steinisweg oder bei Hofen. Bei den meisten Bauernhöfen werden Eigenprodukte zum Kauf angeboten.

Die Tiere sind wieder auf den grünen Wiesen: Schafe, Ziegen, Kühe. Und immer wieder belustigt mich das Geräusch der startenden Schwäne. Wie laut diese Flügel doch sein können. Und lustig sieht es auch aus.

Bei Steinisweg geht es rechts hinunter durch ein schönes Waldgebiet mit Bach tief unten und einer Brücke darüber. Der Durchgang wird auf eigene Gefahr begangen, denn plötzliche Erleuchtungen sind nicht ausgeschlossen, heisst es auf einem hölzernen Schild. Ja, es ist traumhaft hier!

Was für ein Friede heute herrscht da draussen in der Natur! Kurz vor Wohlen komme ich zur Wohleibrücke. Hier ist ein hübscher Platz eingerichtet zum Geniessen und Ruhen. Und das wird rege genutzt von Spaziergängern und Bikern.

Kurze Zeit später setze ich mich beim Ruderclub von Wohlen auf eine Bank und geniesse meinen Proviant an der Sonne. Bereits haben die gefiederten Tiere im Wasser Nachwuchs. Gänse schnattern aufgeregt mit ihren ca. 10 Jungen, als ich daherkomme.

Dann macht die Aare eine grosse Schlaufe und schon bin ich an meinem heutigen Ziel Hinterkappelen, wo auch der Wohlensee endet. Echt jetzt?! Das waren ja bloss etwa zweieinhalb Stunden Gehen. Ich belohne mich mit einem Kaffee und einem kleinen Coupe Baileys. Schmatz, mampf!

Chappelebrügg
Chappelebrügg

Und weil es so gut war und es so sonnig ist und es mir so gut geht, entscheide ich mich spontan noch weiter zu gehen. 1 1/2 Std. nach Bremgarten steht auf dem Wegweiser. Mache ich doch mit links! Und da kommen noch einige Brücken und die Aare macht nun auch noch einige Biegungen und Schlaufen.

Die Halebrügg bei Halen aus dem Jahre 1913 verbindet das Berner Neufeld mit Herrenschwanden und fasziniert mich wieder aus architektonischer Sicht.

Und später eine weitere alte Holzbrücke auf Mauerpfeilern: die Neubrügg. Sie ist die älteste noch erhaltene Holzbrücke des Kantons Bern und führt ebenfalls ins Berner Neufeld.

Neubrügg
Neubrügg

Es geht weiter um die Kurve der Aare und hoch Richtung Schloss Bremgarten. Rechts liegt das Wasserkraftwerk von Felsenau. Da komme ich vermutlich wieder vorbei, wenn ich die Schlaufen hoch nach Zollikofen und Worblaufen gegangen bin. Für heute ist nun erstmal Schluss.

Weitere 19 km und 25’000 Schritte mit 16 Stockwerken an Höhenmetern später bin ich mit direktem Bus an den Hauptbahnhof Bern und direktem Zug nach Basel schon bald unter der warmen Dusche daheim. Ich freue mich schon auf die kommende Etappe durch die Hauptstadt!

Kunst am Wasser
Kunst am Wasser

Neunte Etappe: Mittwoch, 19. April 2023: Aarberg – Fuchsenried

War das eine tolle Etappe heute! Natur pur! Aber schön der Reihe nach. Die Anfahrt wird komplizierter, je ländlicher die Ziele werden. Ich beginne heute beim Bahnhof in Aarberg nach umsteigen in Bern und Lyss und laufe nochmals durch die wunderschöne Altstadt hinunter zur Holzbrücke. Von hier habe ich das letzte Mal Sicht auf die Alte Aare, denn hier schliessen sich die Aare und die Alte Aare wieder zusammen. Der Hagneck-Kanal führt den Ausfluss der Aare aus dem Bielersee und die beiden Flüsse vereinen sich beim Wasserkraftwerk ausserhalb Aarbergs.

Und dann kommt ein sehr abwechslungsreicher Weg entlang dem Wasser, mal hoch über der Aare, dann wieder direkt am Fluss. Bald kommt auch die Sonne durch und hat immer wieder Erfolg zwischen den Wolken. Dann ist es gleich warm. Und die 34 Stockwerke, welche ich heute gemäss Handyangaben bewältige, bringen mich nicht nur zum Schwitzen, sondern zeigen mir auch beim Atmen meine schlechte Kondition auf. Aber es ist traumhaft mit diesem zarten Grün des keimenden Laubes. Und vor Niederried bei Kallnau gehts über Felder und am Waldrand blühen Bäume. Ein Traum!

Nach dem kleinen Dorf komme ich an einer Schrebergartensiedlung vorbei. Hier herrschen wohl nicht so strenge Sitten wie bei den Gärten bei uns. Ein wirres, lustiges Kunterbunt. Und da scheint noch eine “Baum”schule für Buchs zu sein. Das sieht lustig aus!

Buchsbaum
Buchsbaum

Ich komme an ein weiteres Wasserkraftwerk. Die Aare ist enorm breit und liegt da wie ein grosser See. Eine Strömung ist kaum erkenntlich. Da fliesst sprudelnd der Haslibach hinzu.

Entlang dieses Stausees gehe ich durch das Naturreservat Niederried Oltigenmatt. Es ist wunderschön, und es ist ruhig, und ich bin nun schon bald drei Stunden unterwegs und noch keiner Menschenseele begegnet. Was für eine Wohltat! Und fürs Auge durch den grüner werdenden Wald und wieder Treppen hoch und sanft später wieder runter.

Ich komme aus dem Wald und sehe hinunter auf dieses riesige Schilf- und Moorgebiet Oltigematt. Die Aare ist kaum zu sehen und an der Rückseite thront die Runtigenflue mit den steil abfallenden Felsen. Und da achte ich nicht auf den Wegweiser und quere einen Bauernhof mit kleinem Kühlschrank mit eigenen Erzeugnissen zum Kaufen und freue mich über die Rufe des Kuckucks. Wie lange ist das her, seit ich den rufen hörte. Und ja, ja, ich hab Geld im Sack, es wird ein gutes Jahr!

Zum Glück merke ich bald, dass ich so nicht an die Aare komme und kehre um. Und da ist der Wegweiser, etwas versteckt bei einer Hütte. Und auf gehts in diese Feuchtwiesen, Röhrichte, Auenlandschaften, Flachmoore. Distelfinken flattern hektisch umher, weisse Reiher scheuche ich auf, Spechte trommeln. Kurz, es ist sagenhaft traumhaft hier. Alles wird der Natur überlassen! Abgestorbene Bäume, umgefallene Tannen, vom Winde erlegtes Schilf. Der Weg ist gut und fest und ab und an sehe ich wieder Biberspuren. Denen wird es hier auch gefallen!

Und plötzlich finde ich, die Aare hat einen enormen Zug drauf. Das Wasser ist etwas grüner und fast reissend fliesst es vorbei. Aha, nein dies ist ja gar nicht die Aare. Die sehe ich weiter hinten träge dahin fliessen. Ich stehe an der Saane! Ja, hier mündet dieser Fluss und versucht den anderen mitzureissen! Ein tolles Spektakel!

Ich muss nun der Saane entlang flussaufwärts gehen bis zum Saanesteg. Da kommen mir drei Walkerinnen mit ihren Stöcken entgegen. Ich gehe die Treppe hoch und stehe über der Saane. Herrlich! Wieder etwas gelernt! Zeit fürs Picknick!

Bei Islere setze ich mich ans Wasser und geniesse das Mittagessen. Es ist schon halb zwei und ich bin beinahe schon am Ziel. Zwei Radfahrende ruhen sich auch aus und ein Junge mit einer Angel sitzt auf einer Bank. Dieser Frieden! Ein Schwan will sich wohl etwas von uns holen, aber wir sind schon beinahe wieder weg.

Und um die nächste Kurve stehe ich vor einem weiteren AKW an der Aare. Allerdings wurde dieses Ende 2019 stillgelegt und befindet sich seit Januar 2020 im Rückbau: das AKW Mühleberg.

AKW Mühleberg
AKW Mühleberg

Der Weg führt oberhalb des Betriebes durch den Wald und dann beim Eingang und Parkplatz wieder zur Aare zurück. Jetzt wandle ich wie auf Moos, der Weg fürt über eine Wiese und schon steht da das monumentale steinerne Gebäude des Wasserkraftwerkes Mühleberg. Erbaut wurde dieses zwischen 1917 und 1920 zur Zeit des Krieges und wirtschaftlicher Not. Am Hauptgebäude steht geschrieben: Ein Denkmal der Tatkraft und Pflichttreue der leitenden Männer und der Arbeiter.

Ja, und dann bin ich bereits am Ziel. Ich steige noch die Treppen durch den Wald hoch nach Fuchsenried und sehe in der Tiefe dieses Türkisgrün der Aare, welche hier in den Wohlensee mündet. Diese Farbe werde ich nun wohl öfters zu sehen bekommen.

Der Bus fährt hier nur stündlich und ich muss 45 Min. auf ihn warten. Zum Glück scheint die Sonne und ich wärme mich an der Haltestelle. Via Bern komme ich wieder zurück nach Basel.

Auch heute sind es 20 km und 26’000 Schritte. Aber die Höhenmeter liegen sicher um ein Vielfaches höher gegenüber der anderen Etappen. Es war abwechslungsreich und für den ganzen Körper viel angenehmer, als immer flach geradeaus zu marschieren. Und die Freude an der Natur wurde heute gesättigt! Diese Etappe kann ich als Tagesausflug allen nur wärmstens empfehlen!

Achte Etappe: Montag, 10. April 2023: Büren an der Aare – Aarberg

Die heutige Etappe ist eigentlich schnell erzählt. Ich wandere heute fast ausschliesslich durch das Aare Auengebiet, ein Naturreservat von nationaler Bedeutung.

Am Bahnhof Grenchen Süd steht das Kunsthaus von Grenchen aus dem Jahre 2008. Ich würde es als Rosthaufen bezeichnen. In der Beschreibung auf Wikipedia wird es aber vornehm ausgedruckt: “Die Aussenwand besteht aus einem Geflecht von rohen 5/100-mm-Stahlbändern, die durch Oxidation ihre charakteristische orangerote Färbung erhielten.” Wie so vieles eben Geschmacksache.

Kunsthaus Grenchen
Kunsthaus Grenchen

Von der Bushaltestelle Stedtli in Büren an der Aare gehe ich hinunter zur alten Holzbrücke. Ich stehe heute auf der linken Seite der Brücke, wo ich letztes Mal rechts hoch zum Bahnhof gegangen bin mit der vielen Kunst am Ufer. Und da beginnt dann auch meine heutige Wanderung.

Holzbrücke Büren a.A.
Holzbrücke Büren a.A.

Ich wähle bewusst den Weg der Alten Aare. In Biel, beim Ausfluss der Aare aus dem Bielersee, wurde der Fluss im 19. Jahrhundert wegen der zunehmenden Überschwemmungen im Berner Seeland in den Nidau-Büren-Kanal gezwängt. Ich bevorzuge den natürlichen Lauf des Gewässers. Dazu geht es erstmal über eine offene Ebene mit Ackerland links und rechts. Und der Weg ist zugleich auch Veloweg. Also aufpassen, es sind viele Radler an diesem sonnigen aber kühlen Ostermontag unterwegs.

Und schon bin ich mitten in diesem traumhaften Naturparadies. Der Schwarzdorn blüht und ich habe mir für den ganzen Tag ein Konzert bestellt. Und es klappt! Von den Wegen, Büschen, Bäumen zwitschern die Vögel was das Zeug hält. Eine ganz andere Zeit des Wanderns im erwachenden Frühling als im kalten düsteren Winter!

Bei Studen komme ich am Erlebnispark Seeteufel vorbei. Hier herrscht Hochbetrieb, die Parkplätze sind voll. Mir bietet sich die Gelegenheit, kurz eine Biopause einzulegen. Und dann aber über die Strasse und weg von diesem Getümmel. In Gedanken bin ich als kleines Kind mit dem Vater auf einer Anlage mit exotischen Tieren in Studen. Ob das wohl der Anfang dieses Parkes war?

Bei Busswil komme ich bei einer Eisenbahnbrück zu einem Schild mit folgendem Hinweis:

In der Gegend von Busswil floss die Aare in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch auf einer Breite von über 500 Metern. Die ständig wechselnden Wasserläufe machten den Bau von Brücken nicht lohnenswert. An deren Stelle traten Fähren. Die Busswiler Fähre wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals schriftlich erwähnt. zwischen 1803 und 1860 sind Verschiebungen der Fähre nachweisbar. Mit der Eröffnung des Eisenbahnverkehrs zwischen Biel und Bern in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts wurde der Fährdienst aufgegeben.

Eisenbahnbrücke bei Busswil
Eisenbahnbrücke bei Busswil

Wie die Industrialisierung doch alles veränderte!

Super, hat man diese Auenlandschaft erhalten! Denn seit dem Bau des Nidau-Büren-Kanals fehlte in dieser Gegend genügend Wasser für eine Auenlandschaft. Es ist noch nicht so lange her, seit die ganze Landschaft renaturiert wurde und so wieder mehr Wasser die Landschaft nährt. Und auf den Schildern wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein Gebiet von nationaler Bedeutung handelt.

Dann laufe ich an Lyss vorbei und esse beim Sportzentrum meinen mitgebrachten Proviant. Auch hier spürt man, dass eigentlich Sonntag ist und die Leute frei haben. Junge kommen mit ihren Skateboards vorbei, viele Familien sind auf einem Spaziergang und einige sind mit dem Fahrrad in Bewegung.

Es ist nicht mehr weit bis zu meinem Ziel. Vorbei an einer Kartbahn-Anlage beginnt es plötzlich bestialisch zu stinken. Nicht nach faulen Eiern, eher nach Hefe. Grauenhaft! Ich frage ein Paar, welches etwas auf dem Handy sucht, was hier wohl so stinke. Sie lachen, das sei die ARA da vorne. Na, gute Nacht!

Dann gehts hoch zum Städtchen Aarberg. Ich habe schon oft gehört, dass das so hübsch sein soll. Und es ist dies tatsächlich. Erst muss ich über einen Brunnen lachen. Das sieht aus, als ob der Bär nicht sicher ist, ob er springen soll.

Brunnen in Aarberg
Brunnen in Aarberg

Dann stehe ich auf dem Stadtplatz umgeben von wunderschönen alten Häusern. Leider ist oft kein Durchkommen wegen Baustellen. Auch hier wird erneuert! Die Leute sitzen draussen und geniessen die Sonne.

Ich schmunzle! Meistens genügt ja ein Verwaltungsgebäude in einem Ort. Hier gibts die Gemeindeverwaltung, das Rathaus und das Amtshaus. Letzteres befindet sich übrigens im Schloss Aarberg. Schön sind sie alle!

Bei der Reformierten Kirche hat man Sicht auf die Zuckerfabrik von Aarberg. Ich mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Gemäss Fahrplan habe ich noch genügend Zeit für eine Erfrischung in Form eines Eises, mampf! Dann kommt der Zug nach Kerzers und ich wundere mich, dass auf einem Geleise innert zwei Minuten zwei Züge in entgegensetzter Richtung fahren. Zu spät realisiere ich, dass mein Zug nach Bern ein Bus ist. Grad fährt er mir vor der Nase weg. Tja, wer nicht richtig Fahrplan lesen kann, der muss warten. Ich warte eine halbe Stunde und bin dann aber schnell auch wieder daheim mit umsteigen in Bern.

Bei wiederum knapp 19 km und 24’500 Schritten darf man schon mal daneben schauen. Schön waren diese vier Stunden an der Alten Aare und im Berner Seeland. Auf zum nächsten Mal!

Siebte Etappe: Mittwoch, 22. März 2023: Solothurn – Büren an der Aare

Kurz, es war ein einmalig schöner Frühlingstag heute!

Der heutige Höhepunkt sollte die Storchenaufzuchtstation Altreu werden. Aber der ganze Tag ist so traumhaft, dass ich Nichts speziell hervorheben kann. Bei weitem nicht so ruhig wie es auf den Bildern aussieht, werde ich in Solothurn empfangen. Was ist das für ein Gekrächzte am Ufer der Aare! Zig schwarze Rabenvögel fliegen umher, einige mit kleinen Ästen im Schnabel, aber alle kämpfend um bereits bestehende oder ansonsten gut platzierte Nestplätze. Es wird lautstark verteidigt oder ergattert! Weg von hier!

Und da lerne ich die Stadt von einer mir unbekannten Seite kennen. Immer gehe ich gleich über die Brücke in die Altstadt, wenn ich Solothurn besuche. Heute aber bleibe ich auf der Bahnhofseite der Aare und komme durch alte Gassen und an hübschen alten Häusern vorbei. Das alte Spital ist heute ein Hotel mit Gaststube und Kulturlokalitäten. Oder der Krummturm aus dem 15. Jahrhundert, mit einem unregelmässigen Fünfeck als Grundriss.

Auf der heutigen Wanderung fallen mir lustige Schilder auf. Bei der Fussgänger- und Velobrücke an die andere Uferseite werden Reiter gebeten, vom Pferd zu steigen. Oder kurz vor Altreu werden Autofahrer vor Einsturz wegen Biberbauten gewarnt.

Dann sind heute auch wieder wunderschöne Bäume am Weg. Ich liebe diese Silhouetten, wenn noch kein Laub dran ist. Immer komisch sehen gestutzte Platanen aus, heute z.B. bei der Kunstturnhalle am Stadtrand von Solothurn.

Die Aare macht auf dem heutigen Wanderabschnitt viele Windungen. Da kann schon mal abgekürzt werden. Allerdings geht man dann oft auf asphaltiertem Weg. Die erste Stunde ist daher unangenehm zum Gehen, danach allerdings sind es alles Naturwege. Und heute geht es nie durch den Wald. Schatten ist an diesem sonnigen Frühlingstag also nicht zu finden. Abends benötige ich dann kein Licht, um zu Bett zu gehen. Das Gesicht glüht genug! Künftig ist also wieder an Sonnenschutz zu denken!

Da geht es den gefiederten Freunden wohl besser! Ein Kormoran, der sich auf einem Ast im Wasser sonnt oder der Schwan, welcher ruhig dahin paddelt und die vielen Störche erst auf den Dächern von Altreu. Brüten die schon?

Da komme ich mit einem 83-jährigen Mann ins Gespräch, der mir mit einem unverkennbaren holländischen Akzent von seinem neuen Nachbarn erzählt. Der beklage sich, dass auf seinem Dach Störche nisten und habe deshalb extra Solarpannels montieren lassen. Aber das stört die Störche offenbar nicht, sie nisten trotzdem wieder. Er sagt, das sei ein typischer Berner Oberländer Sturkopf. Er sei auch mit so einer verheiratet und wisse, wovon er spreche. Dabei lacht er übers ganze Gesicht und wünscht sich, dass die Leute toleranter wären. Seit 23 Jahren wohnt er nun hier und geniesst seinen Garten, in welchem vier bepflanzte ausgediente WC’s und eine Duschtasse stehen. Da würden viele Touristen stehen bleiben und fotografieren. Ich verabschiede mich und schmunzle beim Weitergehen über das lustige Gespräch.

Mein Mittagessen nehme ich nach Altreu an einer Aareschlaufe auf einem schönen Grillplatz in der Nähe von Grenchen ein. Eine Trinkpause mache ich später bei Rüti kurz vor meinem Ziel. Einfach schön hier!

Auf dem Flughafen von Grenchen scheint heute Hochbetrieb zu sein. Immer wieder starten kleine Sportflugzeuge und drehen Runden über das ganze Gebiet. Auch Helikopter starten und landen! Vielleicht sind ja Flugschüler dabei, ihr Können zu erlernen.

Ich komme heute an einigen Brücken vorbei. Und dabei fasziniert mich deren Architektur immer wieder. Manchmal kann sie gefallen, oder sie löst Entsetzen aus. Das Zusammenspiel von Betonmasse und Natur ist aber sicher spannend. Auf Initiative des Grenchner Tagblattes konnte z.B. durch eine Spendenaktion eine Skulptur aus Teilen der alten Aarebrücke von 1874 erstellt werden. So bleibt etwas aus der alten Zeit gleich neben dem Neubau von 1999 erhalten.

Die alte Holzbrücke von Büren a.A. wurde übrigens erst 1991 erbaut, wieder erbaut. Seit der ersten ursprünglich 1275 erbauten Brücke ist diese die neunte Brücke. Immer wieder wurden die Brücken durch Feuer, Hochwasser oder Eis zerstört. Letztmals durch einen Brandanschlag 1989. Die Täter wurden nie gefasst. Man vermutet aber, dass sie aus dem Umfeld der Jura-Separatisten stammen.

Beim Überqueren der Brücke bei Aarbrügg habe ich übrigens wieder die Kantone gewechselt. Nun bin ich wieder im Kanton Bern und werde da wohl bis auf den Grimselpass bleiben.

In meinem heutigen Ziel steht unten an der Ländte ein altes Gebälk mit zwei Glocken aus der alten Bürener Stadtkirche aus dem 12. Jahrhundert.

Glocken der Bürener Stadtkirche
Glocken der Bürener Stadtkirche

Und viel Kunst steht am Wegesrand zur alten Holzbrücke. Eine Skulptur nennt sich “Schwerelos”, was ich beim Betrachten zu bezweifeln wage.

In Büren a.A. war ich vor Jahrzehnten einmal mit dem Fahrrad mit meinen Jungs. Wir fuhren rund um den Bielersee und der Aare entlang nach Solothurn. Hier in Büren übernachteten wir nach einem Bad in der Alten Aare. Es war grauenhaft heiss und unser Zimmer lag unter einem nicht isolierten Dach. Nach einiger Zeit öffnete ich die Zimmertür, damit wir etwas Luft ins Zimmer bekamen. Und diese Idee hatten die anderen Gäste auch schon. Alle Zimmertüren standen offen und ein munteres Geschnarche begleitete uns in den Schlaf.

Heute laufe ich durch die Gassen und betrachte die schönen alten Häuser. Es ist warm mit 17 Grad und einige Wandernde sind unterwegs. Bei der Kirche verabschieden sich viele schwarz gekleidete Leute. Das war wohl eine Abdankungsfeier! In der Hauptgasse bei einem wunderschönen Brunnen aus dem Jahr 1668 geniesse ich ein Glacé und warte auf den Bus nach Grenchen.

Im Zug von Grenchen nach Basel via Olten sehe ich, dass es heute nach knapp 5 Stunden Wanderzeit 21 km waren mit 29’000 Schritten. Herrlich müde bin ich, aber was für ein toller Frühlingstag!

Noch ohne Laub...
Noch ohne Laub…

Sechste Etappe: Mittwoch, 15. März 2023: Wangen a.A. – Solothurn

Irgendwie ist heute Morgen der Wurm drin! Es ist zwar kalt, aber sonnig, und es soll warm werden im Laufe des Tages! Am Bahnhof herrscht Chaos. In Liestal geht gar nichts mehr wegen einer Baupanne und alle Züge fallen entweder aus oder werden umgeleitet. So bin ich eine halbe Stunde später in Wangen a.A. als geplant, weil der Zug nach Olten einen Abstecher beinahe via Aarau machen muss. Aber egal, ich habe ja Zeit!

Und am Ufer der Aare in Wangen begrüsst mich dann gleich dreifach die Kunst. Die Rücklehne einer Bank aus Stahl ist den Mädchen des Jahrgangs 1952 gewidmet und direkt gegenüber lacht mir eine steinerne Fratze aus längst vergangener Zeit entgegen und beim Klubhaus des Pontonier-Vereins scheint es einem Fisch wohler zu sein auf dem Tisch als auf dem Wasser.

Ein sympathischer Weg führt entlang des Wassers. Das Schild bittet einen, auf einander Rücksicht zu nehmen. Aber Velos und Kinder sind heute früh keine unterwegs, nur wenige Spaziergänger.

Dann wird es laut, sehr laut. Was ich erst als Rauschen am gegenüberliegenden Ufer wahrnehme, kommt immer näher und ist dann erschreckend nahe. Auto um Auto, Lastwagen um Lastwagen. Die A1/E25 zerschneidet die Landschaft. Der Weg führt unter der Strasse durch und der Lärm ist grauenhaft!

Autobahnbrücke über die Aare
Autobahnbrücke über die Aare

Beinahe eine Stunde gehe ich entlang der Autobahn! Ich könnte verrückt werden und mir wird klar, wie wertvoll es doch ist, in der Ruhe wohnen und leben zu können. Bei der Raststätte Deitingen könnte ich direkt zum Restaurant laufen. Ich sehe die Grenze zwischen dem Kanton Bern und Solothurn und bin froh, unendlich glücklich, dass der Wanderweg rechts abzweigt hinunter zum Wasser und lärmgeschützt durch eine hohe Böschung.

Dann quere ich den Russbach und nun kehrt Ruhe ein, gottseidank! Links ist das Gelände des Golfplatzes Wylihof und rechts die Aare mit vielen Schilfgürteln wo sich Blesshühner, Möwen, Enten und Schwäne tummeln. Ein Schwan ist nahe am Ufer beim Nestbau und lässt sich auch durch Wandernde nicht stören!

Wie ich die Ruhe in der Natur geniesse! Und die Wärme der Sonne! Dann ist da wieder einmal ein Wasserkraftwerk, welches das Wasser staut und beinahe wie einen See aussehen lässt. Und von weitem erblicke ich die Ruinen der ehemaligen Cellulose-Fabrik Attisholz am gegenüberliegenden Ufer. Hier auf meiner Seite ist aus der ehemaligen Kantine und dem ganzen Gelände ein Uferpark entstanden mit Restaurant und Freizeitangeboten wie Grillplätzen, Badestrand, Skaterbahn und kulturellen Angeboten. So toll!

Weiter geht es auf dem Gemeindegebiet von Luterbach. Und aus meiner Vorbereitung weiss ich, dass ich bald an der Emme entlang gehen muss. Da ist sie, die Mündung in die Aare. Ich muss ein gutes Stück am Ufer der Emme gehen, um diese auf einer stark befahrenen Strasse überqueren zu können. Und auf der anderen Seite ist bei der Kehrichtverbrennungsanlage eine riesige Baustelle. Aber da blüht massenhaft der Huflattich. Ich erinnere mich, wie wir als Kinder mit der Mutter Huflattich pflücken gingen, welchen sie dann dörrte und für Tee gebrauchte. Er soll gut gegen Reizhusten und Heiserkeit helfen! Ich gehe am Ufer der Emme entlang zurück zur Emmenspitze, wo ich auf einer Bank mit Blick auf die beiden Gewässer meine Mittagspause einschalte.

Beim Weitergehen erblicke ich linkerhand hinter Obstbäumen ein hübsches Schlösschen, das Schloss Emmenholz der Familie von Roll, erbaut Ende des 17. Jahrhunderts.

Schloss Emmenholz
Schloss Emmenholz

Vorbei am Sportzentrum von Zuchwil und dem Bad ist schon bald von weitem die Kathedrale von Solothurn zu sehen.

Solothurn mit Kathedrale
Solothurn mit Kathedrale

Das ging nun aber doch schnell trotz meiner schweren Beine am heutigen Tag. Ich bin froh, bald da zu sein und freue mich auf einen Kaffee mit Beilage! Erst werde ich aber noch aufmerksam auf ein Kunstwerk kurz vor dem Kreuzackerplatz: Loop von Carlo Borer aus dem Jahre 2012.

LOOP, Stainless Steel
LOOP, Stainless Steel

Es ist warm geworden, aber die Bise geht. Heute kam ich auf knapp 21’000 Schritte und 16 km in ca 3 1/2 Std. Ich sinke in die Sitze der SBB auf dem Weg via Olten zurück nach Basel. Der Heimweg geht schnell, die Störung auf der Baustelle in Liestal ist behoben. Was bin ich froh!

Fünfte Etappe: Samstag, 4. März 2023: Murgenthal – Wangen a.A.

Heute scheint in Basel die Sonne mal wieder bereits frühmorgens. Ob das an der Aare auch der Fall sein wird, wage ich zu bezweifeln. Umso erfreuter bin ich, als mich beim Aussteigen aus der S-Bahn in Murgenthal auch die ersten Sonnenstrahlen durch den sich auflösenden Nebel begrüssen. Ich gehe am Restaurant Murgli vorbei hinunter zur Brücke, wo ich bei der letzten Etappe von Fulenbach, Kanton Solothurn, her kommend, über die Brücke nach Murgenthal, Kanton Aargau, gekommen bin.

Ich muss den Wanderweg zwischen dem Gemäuer der Häuser richtiggehend suchen. Ah, da gehts eine Treppe hinunter, der Hauswand entlang. Und jetzt? Ich stehe auf einem Abstellplatz für Allerlei! Dort drüben zeigt ein weiterer Pfeil erneut auf eine Treppe hinab und da stehe ich direkt am Ufer der Aare und freue mich einfach nur auf die weitere Wanderung.

Der Weg ist super gut, naturbelassen, zwischen Sträuchern und Schilf und immer das Wasser im Blick. Schon bald quere ich den Aarezufluss der Murg und komme so auch in meinen Heimatkanton Bern. Das wird mir gut gekennzeichnet durch die angegebene Fischereigrenze.

Ab und an sind schöne Grillplätze erstellt und Bade- und Bootsstellen markiert. Bei einer muss ich schmunzeln ob der Busse bei Nichteinhaltung der Ordnung: Es wird mit einer ordentlichen Tracht Prügel bestraft! Und “Langenthal” wird als “Long Valley” erwähnt. Die Berner haben einfach Humor! Auch der Hinweis an einem Baum: Zum Meer, Rotterdam 1013 km lockt mir ein Lachen ins Gesicht!

Nach der nächsten Biegung der Aare stehe ich vor der aus dem 11./12. Jahrhundert stammenden hübschen Kirche von Wynau. Sie gilt als eine der ältesten Kirchen des Kantons Bern und wird wegen ihrer Lage direkt an der Aare oft auch als Hochzeitskirche benutzt.

Kirche von Wynau
Kirche von Wynau

Ich laufe an der wärmenden Sonne, habe links die Felder und rechts das Wasser als Wegbegleiter. So ein schöner Wandertag! Beim Farächer liegt eine Fähre im Wasser gegenüber. Ein Schild erzählt mir, dass eine Familie in 4. Generation die Fähre zum Ausflugsrestaurant gegenüber betreibt. Der Fährbetrieb zwischen Wynau und Wolfwil lässt sich bis ins Jahr 1266 zurück belegen. Und etwas weiter komme ich zum Flusskraftwerk Wynau-Schwarzhäusern, das in den Jahren 1894-96 von der Firma Siemens&Halske erbaut wurde. Die Firma holte dafür damals schon italienische Bauarbeiter.

Und schon stehe ich kurz vor Aarwangen bei der ARA. Ich staune über die Rostskulptur und frage mich, von wem diese wohl stammt. Auch nach intensivem Suchen im Internet werde ich nicht schlau. Dafür ist bekannt, dass das Schloss in Aarwangen im 13. Jahrhundert zur Sicherung des wichtigen Flussüberganges entstanden ist und heute Niederbipp und Langenthal verbindet.

Ich steige etwas hoch und setze mich oben beim Banwald auf eine Holzbank, um das Picknick zu geniessen. Der Blick schweift über die schöne Landschaft und den dahin fliessenden Fluss. Hier ist vorgesehen, eine Betonbrücke in die Natur zu setzen, um den Verkehr durch Aarwangen zu entlasten. Ein Komitee versucht sich zum Glück dagegen zu wehren. Hoffentlich mit Erfolg! Hirnwütige Ideen gibts manchmal!

Durch den Banwald hinunter zum Wasser komme ich bald an einem Kieswerk vorbei. Ich bin froh, ist heute Samstag. Unter der Woche herrscht hier wohl viel Betrieb und in dieser Trockenheit ist die Luft dann sicher sehr staubig!

Nach der Grossmatte quere ich die Önz bei Stadönz. Namen gibt es! Und bei der Spichermatte kurz vor Berken bearbeitet ein Traktor den Acker! Ja, Regen ist dringend nötig!

Bei der Brücke von Berken quere ich die Aare. Hier sind viele Menschen am Spazieren. Der morgendliche Einkauf ist wohl erledigt und nun wird von vielen die herrlich wärmende Sonne draussen genossen. Auf einem Feld sonnen sich ungefähr zwanzig Schwäne. Ich kenne die eigentlich nur auf dem Wasser oder nah am Ufer. Und dass sie Gras und keimende Wiesenblumen fressen, ist auch neu für mich.

Es ist nun nicht mehr weit bis zu meinem heutigen Ziel. Ich komme noch an militärischen Einrichtungen vorbei, dem Waffenplatz von Wangen a.A.-Wiedlisbach und einige Menschen kommen mir mit oder ohne Hunde entgegen. Dann sind bereits die Häuser von Wangen an der Aare sichtbar. Auf dem Inselchen vor der Altstadt faszinieren mich die riesigen Turbinen eines Kraftwerkes, nehme ich an.

Und da steht rechts vor der überdeckten Holzbrücke aus dem 15. Jahrhundert eines der Häuser aus dem Bernbiet, die mir so sehr gefallen. Und von weitem sieht man die reformierte Kirche.

Ennet der Brücke schaue ich in den ehemaligen Schlossgarten, bestaune die Fassade des Schlosses von Wangen a.A. und gehe durch das Tor des Zeitglockenturmes, erbaut im 13. Jahrhundert zusammen mit der Ringmauer. Schon 1580 nannte man ihn Zytglogge-Turm, “Zyt mit Gloggen”, so guet!

Und nach dem Turm links vor dem Gemeindehaus steht ein Kunstwerk von der Künstlerin Karin Walter, die Männin aus dem Jahr 2022. Lustig!

Heute habe ich knapp 20 km in guten 4 1/2 Stunden zurückgelegt und bin glücklich und zufrieden müde. Bevor ich zum Bahnhof gehe, mache ich noch meine wenigen Wochenendeinkäufe und kann so nach S-Bahn, Zug und Tram direkt heim ins warme Stübchen. Schön wars!

Männin
Männin

Vierte Etappe: Mittwoch, 1. März 2023: Olten – Murgenthal

Beinahe habe ich mir den heutigen Tag gleich zu Beginn vermiesen lassen, aber nur beinahe! Auf meiner Fahrt nach Olten will ich noch schnell aufs Klo. Es lässt sich wesentlich angenehmer wandern mit leerer Blase! Aber ohweh: beide WC’s wegen Defekt verriegelt: Okay, ich mache mir einen Ein- resp. Zweifränkler bereit in der Jackentasche und suche die WC-Anlage im Oltener Bahnhof. Und da wird doch schon wieder wohl eher unbewusst eine Gruppe Menschen diskriminiert! Die Benutzung der Toiletten ist nur mit Kreditkarte oder Smartphone möglich. Und was machen alle jene, die dies nicht haben? Laufen lassen? Kreisch!

Ich suche dann den Wanderweg an der Aare, komme an einer ganz neu erstellten Anlage für Fussgänger vorbei und stehe plötzlich vor Absperrungen! Oft sind diese auf der Karte der SchweizMobil-App angegeben. Diese allerdings nicht. So what! Ich hätte vermutlich das hübsche alte Zollhaus sonst nie zu Gesicht bekommen.

Nach dem Umweg zwischen diversen Baustellen hindurch komme ich zur bekannten Holzbrücke von Olten. Sie verbindet die Altstadt mit der Bahnhofseite schon seit über 700 Jahren. Und gleich darauf überquere ich die Aare auf einer Fussgängerbrücke neben der Eisenbahnbrücke und erblicke eine super moderne Betonbrücke. Die bietet sich an als Fotoobjekt und dahinter ist das Säli-Schlössli auf dem Hügel sichtbar, das ich auf meinem Weg von Olten nach Zofingen auch schon besucht habe.

Es ist heute wieder einer dieser eiskalten Tage mit leichter Bise, Nebel verhangenem Himmel und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zum Glück habe ich mich richtig warm angezogen. Ich komme beim Aufstieg zum Born, dem Oltener Hausberg, sogar ins Schwitzen.

Und heute ist ja meteorologischer Frühlingsanfang. Da freue ich mich über die blühenden Blausterne und die Märzenglöcklein oder Märzenbecher. Ich habe die bis anhin immer nur in Gärten blühen sehen. Aber hier ist davon ein ganzes Feld mitten im Wald und auch der Bärlauch ist schon zu erkennen!

Bei der Vorbereitung der heutigen Etappe habe ich gelesen, dass es zwischen Rothrist und Murgenthal keinen Weg direkt an der Aare gibt. So entscheide ich mich gleich nach Olten für den Weg oberhalb der Strassen, Bahngeleisen und der Aare. Es war ein guter Entscheid. Ich habe eine tolle Aussicht auf den Fluss unter mir und auch in die Ferne. Vermutlich würde ich sogar die Alpenkette sehen, wenn das Wetter entsprechend mitspielen würde.

Ein Blick zurück zeigt mir, wie hoch ich bereits gestiegen bin und vorwärts habe ich Aarburg mit der oberhalb thronenden Burg in Sicht.

Gut, bin ich hier oben. Von unten her rauscht der Pneuabrieb der A1 herauf, das Donnern der vielen Züge von und nach Olten, und von überall hört man Kettensägen von Forstarbeitenden, welche den Wald in Schuss halten. Wie der Lärmpegel wohl nah an der Aare wäre?

Forstarbeiter
Forstarbeiter inmitten von Märzenbechern

Die Wege sind hier gut markiert und der Solothurner Wanderweg weist viele Tafeln mit Erklärungen auf. So komme ich an einer ehemaligen Mergelgrube vorbei, die heute offenbar eher einem Auffangbecken umgestürzter Bäume gleicht. Und ich wandere durch ein ehemaliges, hoffentlich, Bergsturzgebiet. Viele bemooste riesige Findlinge liegen da im Wald. Das Betreten des 1000er-Stägli-Weges ist auf eigene Gefahr zu verantworten. Ui!

Nach ca. zwei Stunden führt der Weg steil hinunter nach Boningen. Es sind heute Ortsnamen, welche ich zum ersten Mal höre. Und da kommt mir das Wort von Johann Wolfgang von Goethe in den Sinn: Nur wo Du zu Fuss warst, bist Du auch wirklich gewesen! Ja, man erlebt so enorm viel auf Wanderschaft.

Boningen liegt auf der anderen Seite der Autobahn, ist ein kleines verschlafenes Nest mit knapp 800 Einwohnern und hat erstaunlich viele sehenswerte Ecken. Da ist dieser moderne Brunnen bei der Mehrzweckhalle. Oder das Gemeindehaus mit dem Wort über dem Eingang: Jugend, nütze die Zeit! Ich vermute, das war mal ein altes Schulhaus. Dann steht eine hübsche, kleine Kapelle gleich neben einer modernen Kirche. Neben einem Bauernhof, auf welchem die Hühner trotz Vogelgrippe frei umherlaufen, liegt ein hübsches kleines Seelein mit Enten. Ist das ein Koi, dieser weisse Karpfen da drin? Und am Ufer liegt tot ein anderer Riesenkarpfen. Hier genehmige ich mir zwei Becher mitgebrachten heissen Ingwertee!

Weiter geht es durch ein Quartier mit Einfamilienhäusern und am Waldrand ist der wunderschöne, grosse Rastplatz Eichlibahn. Da setze ich mich hin und esse mein Sandwich. Zwei Blaumeisen und ein Rotkehlchen warten mit Abstand auf die runter gefallenen Brosamen. Ich bin heute fast ganz alleine unterwegs. In Olten überholte mich ein Jogger und zwei Frauen mit ihren Hunden sind mir begegnet. Ansonsten ist keine Menschenseele draussen. Da stelle ich mir die Menschenmenge am heutigen Basler Cortège vor. Hach, hab ichs gut!

Im Wald komme ich am Allmendweiher vorbei und am Naturschutzreservat von Gunzgen. Die Anlage des Kieswerkes verschandelt die Gegend und leichter Staub hängt in der Luft. Dann gehts hinunter nach Fulenbach, und ich komme der Aare wieder sehr nahe.

Kurz vor dem Hirschpark von Fulenbach stehe ich vor diesem vereisten, aber funktionierenden Wasserrad. Sieht das toll aus! Die heranstürmenden Schüler können mein Staunen vermutlich nicht verstehen. Oberhalb steht die Kapelle Mariahilf aus dem Jahr 1697. Die Einwohner von Fulenbach nennen sie Chäppeli.

Ja, und schon komme ich zur Holzbrücke aus dem Jahre 1863 über die Aare nach Murgenthal, meinem heutigen Ziel. Raffiniert wird hier der Fussgängerweg vom einspurigen Verkehr über die Aare getrennt. Ich habe wieder mein mulmiges Gefühl, weil ich durch die Holzlatten das fliessende Wasser unter mir sehe. Aber der Blick über den Fluss ist toll!

Im Restaurant Murgli wärme ich mich auf bei einem Latte Macchiato und einem Meitschibei. Ich bin der einzige Gast, die einzige Gästin, gröhl, und der Wirt staunt über die Strecke, welche ich heute zurückgelegt habe. Ich war knappe fünf Stunden unterwegs, inklusive Pausen, hab 18 km zurückgelegt und auch einige Höhenmeter (um die 400). Der Bahnhof liegt gleich auf der anderen Strassenseite. Alles wird hier neu behindertengerecht gebaut. Im Juni soll alles fertig sein. Und ich fahre via Olten zurück nach Basel und freue mich, wie könnte es anders sein, auf die warme Dusche und das gute Bett! Und ich freue mich bereits heute auf die kommenden Etappen!

Mitten über dem Fluss
Mitten über dem Fluss

Dritte Etappe: Mittwoch, 8. Februar 2023: Aarau – Olten

Es ist schlicht und einfach saukalt heute, auch wenn der Himmel beim Start stahlblau leuchtet. Ich starte die Reise mit dem Zug nach Aarau bei minus fünf Grad und Sonnenschein. Und in Aarau ist der Himmel denn auch grau in grau, nebelverhangen.

Auf dem Weg vom Bahnhof in Aarau hinunter zur Aare komme ich am Gebäude des Sauerländer-Verlags vorbei. Dieser wurde 1807 gegründet und verlegt heute hauptsächlich Lehrmittel und Kinderbuchliteratur.

Das erste Gebiet heute heisst schon wieder «Schachen». Das Freibad und die Pferderennbahn liegen am Waldgürtel unten beim Wasser. Ich finde, heute macht die Aare enorm viele Schlaufen, Biegungen, welche die Wanderung verlängern. Kurz nach der Pferderennbahn verlasse ich übrigens den Kanton Aargau und die Romben der Wanderwege zieren neu das Wappen des Kantons Solothurn.

Diese Strecke bin ich in umgekehrter Richtung im regenreichen Sommer 2021 schon mal gegangen. Bei Schönenwerd konnten wir damals nicht am Ufer entlang gehen, weil dieses überschwemmt war vom Hochwasser der Aare. Heute geht es problemlos und ab jetzt begleitet mich für eine längere Zeit die Dampfwolke des KKWs Gösgen. Auch lerne ich heute wieder einiges an den im Wald platzierten Tafeln. Bis anhin taten mir die Bäume immer leid, wenn sie so voller schmarotzender Efeus waren. Aber Irrtum: Efeu ernährt sich durch seine eigenen Wurzeln am Boden und benötigt den Baum lediglich als Kletterhilfe. Blätter mit wenig Sonnenlicht haben gezackte Formen. Je mehr Sonnenlicht das Blatt erhält, z.B. in den Baumkronen, desto eierförmiger werden die Blätter. Spannend!

Wunderschöner Baum am Ufer
Wunderschöner Baum am Ufer

Vom Bally Park, wo so viele Bänke zum Ausruhen stehen, sehe ich die Wolke zu meiner Rechten. Nach dem Pfahlbauerdorf im Park komme ich an eine weitere Hängebrücke. Sie ist 93 Meter lang und nur wenige Meter über der Aare. Auch wenn sie offenbar nicht schwingt, bin ich froh, dass ich sie nicht benutzen muss.

Der Nebel hat sich verflüchtigt und ich setze mich auf eine Bank mit dem Gesicht zur Sonne und esse mein Picknick. Dazu tanke ich automatisch Vitamin D.

Nachdem ich die Schlaufe der Aare bei Gretzenbach gegangen bin, habe ich den Kühlturm von Gösgen nun vor mir auf der linken Seite. Ich laufe heute durch viele Auenlandschaften und einige Inseln liegen im Wasser. Auch heute hat es vereinzelt Biberspuren, aber meist sind die Bäume mit einem Drahtgitter geschützt. Irgendwie passt die Natur nicht zu dieser Technik aus Beton. Ich schaue, dass ich schnell vorbei bin am KKW und laufe die nächste Aareschlaufe.

Bei Dulliken ist plötzlich der Weg gesperrt wegen Baumschlag. Und ich bin doch schon sooo müde, habe vergangene Nacht nicht viel geschlafen und muss nun noch Umwege gehen. Aber ich bin schnell durch Dulliken durch und finde den Uferweg wieder bei einem Industrieviertel problemlos.

Aber da macht der Fluss nochmals so eine dumme Schlaufe anstatt direkt wie der Zug nach Olten zu führen!

Da erreicht mich nach dem Wasserkraftwerk ein Geräusch, welches ich erst gar nicht einordnen kann und welches mir total fremd ist. Wie schön, es ist der Schlag eines Vierers. Vier ältere Herren frönen ihrem Hobby und fahren auf der stillen Aare dem Abend entgegen.

Und dann bin ich eeendlich am Bahnhof in Olten. Zuletzt musste ein gutes Stück auf Asphalt gegangen werden. Das ermüdet noch mehr und der Lärm an der Strasse ist auch nicht so musikalisch. Gute fünf Stunden bin ich heute gegangen und habe etwas über 21 km zurückgelegt. Es sind plus 3 Grad hier am Ziel. Ich freue mich riesig auf eine warme Dusche. Der direkte Zug bringt mich zurück. Eine total andere Wanderung jetzt im Winter als im Hochsommer 2021!

Zweite Etappe: Sonntag, 29. Januar 2023: Windisch – Aarau

Die Anreise fällt heute etwas kürzer aus: Mit dem Zug nach Brugg und umsteigen ins Postauto nach Windisch. Ich starte genau dort, wo wir bei der ersten Etappe aufgehört haben.

So frage ich mich als erstes, ob dies ein Zehn-Meter-Springturm ist gegenüber auf der Insel auf der Höhe von Brugg. Und was sind das für zwei auffallende Gebäude zu meiner Linken? Wohl eine Mehrzweckhalle und das Gaswerk! Das Internet nennt mir das Sportausbildungszentrum Mülimatt Windisch Brugg mit der architektonisch tollen Fassade und die Industriellen Betriebe Brugg mit dem türkisgrünen Gebäude.

Der Weg führt mich an den Rand der Altstadt von Brugg. Wie schön das alte Salzhaus, heute ein kulturell genutztes Haus, ein wunderschöner Platz mit Stadtmuseum, die alte Brücke mit dem Schwarzen Turm, dem ältesten Gebäude der Stadt und das alte Rathaus von Brugg, welches im Jahre 1579 an der Rückseite vom Schwarzen Turm erbaut wurde. Ich muss der Stadt wohl mal einen Tagesflug widmen. Das sieht alles vielversprechend aus.

Auch hier finde ich einen alten Grenzstein und am gegenüberliegenden Ufer begeistert mich ein Haus, welches unten ein Wasserrad am Laufen hat. Etwas weiter quert eine alte Eisenbahnbrücke die Aare. Und die wurde mit einem zusätzlichen Weg für Fussgänger ergänzt. So guet!

Dann komme ich am Frei- und Hallenbad von Brugg vorbei. Da kann ich einen kurzen WC-Halt einlegen. Es sind heute viele Leute unterwegs. Es ist ja Sonntag. Am Morgen gibts viele Menschen, die mit ihren Hunden Gassi gehen und viele Joggerinnen. Und ab Mittag machen viele Familien einen Verdauungsspaziergang oder holen sich nach dem morgendlichen Brunch neuen Hunger fürs Abendessen.

Was ich heute gegenüber der ersten Etappe erst sehr vermisse, sind die Biberspuren. Später aber, zwischen den Siedlungen Brugg und Schinznach sowie Holderbank und Wildegg komme ich ins Staunen ob der grossen, alten Bäume, welche sich die Biber zum Fällen vorgenommen haben.

Ein angenagter Baum
Ein angenagter Baum

Auch wenn das Zementwerk bei Holderbank keine Schönheit fürs Auge ist, bietet die Natur heute wieder so vieles. In einem Seitenarm entdecke ich sogar einen Kanuten durch das Geäst hindurch.

Was heute auch oft zu sehen ist, sind Schlösser aus längst vergangenen Zeiten. Auf der Höhe von Holderbank erblicke ich gegenüber das Schloss Wildenstein in Veltheim (AG). Später raste ich auf einer Bank mit dem Rücken zur Aare und mit Blick auf das Schloss Wildegg. Und noch später steht da das Schloss Biberstein am anderen Aareufer.

Die heutige Mittagspause mit Picknick fällt nicht so lange aus. Es ist kalt und die versprochene Auflösung des Nebels bleibt aus. Abends in der TV-Sendung “Meteo” wird von einer totalen Fehlprognose gesprochen!

Auf der Höhe von Auenstein resp. Rupperswil führt der Weg über eine Insel in der Aare. Dazu muss man eine Spannbandbrücke begehen. Sie ist über 100 m lang und führt hinein in die Auenlandschaft zwischen den beiden Gemeinden. Es gibt mir ein etwas mulmiges Gefühl so von wegen Höhenangst und so. Auch kommt sie sehr ins Wanken, wenn noch mehr Leute darauf gehen.

Auf der anderen Seite ist die Brücke breiter und auch für Autos befahrbar. Und nun laufe ich direkt an der Aare in einer wunderschönen Landschaft. Da sind auch wieder viele Spaziergänger und Jogger unterwegs. Viele der heutigen Gebiete haben das Wort “Schachen” auf der Landkarte. Ich erkundige mich, was das Wort bedeutet. Ah, ja klar, Schachen bedeutet Gehöz, Wald. Ich bin heute tatsächlich durch viel Gehölz dem Wasser entlang gegangen: Wildischachen, Badschache, Schache bei Holderbank, Giesseschache, Obere Faarschache, Geisseschache, Aareschächli, Rohrer Schachen und Obere Schache.

Da quere ich die Suhr, die hier in die Aare mündet. Die nebenan stehende ARA stinkt zum Himmel. Durch das Naherholungsgebiet beim Quartier Telli von Aarau entdecke ich noch einen Gedenkstein des ehemaligen Regierungsrates Rudolf Siegrist, 1886-1965.

Müde, aber glücklich mache ich mich auf den Heimweg. Heute fahren keine Direktzüge von Aarau nach Basel. Wegen einer Fahrleitungsstörung bei Zürich sind viele Züge verspätet oder sogar ausgefallen. Ich steige in Olten um und freue mich auf die warme Dusche. Knappe 5 1/2 Std. bin ich heute gewandert und habe 22 km zurückgelegt. Schön wars!

Erste Etappe: Montag, 23. Januar 2023: Koblenz – Windisch

Heute beginne ich meine Wanderung entlang der Aare und mache dies nicht alleine. Meine ehemalige Schul- und jetzige Wanderkollegin begleitet mich. Es ist kalt und der Nebel hängt tief. Eigentlich kein Wanderwetter! Aber man kann sich ja entsprechend anziehen und dann hat man auch im Winter warm genug.

Wir starten mit der S1 in Basel nach Laufenburg, steigen hier in das Postauto um bis Döttingen und fahren noch zwei Stationen mit der S27 bis Koblenz.

Und hier geht es gleich hinunter zum Punkt, wo die breite Aare in den Rhein fliesst. Ursprünglich hiess Koblenz ja Confluentes, was “die Zusammenfliessenden” heisst. Dies trifft für das deutsche Koblenz mit der Mosel und hier mit der Aare in den Rhein zu.

Mündung der Aare in den Rhein
Mündung der Aare in den Rhein

Es geht durch ein sumpfiges Gebiet hoch zum Kraftwerk Klingnauer Stausee. Wir sind auf der ganzen Strecke immer wieder froh, dass nachts Minusgrade herrschen. So ist der Boden gefroren hart und nicht matschig.

Entlang des Klingnauer Stausees herrscht Bise und wir packen uns ein und schützen die Ohren. Da fühlen sich die Temperaturen noch kälter an. Am Wegrand hat es aber auch hier wieder Spannendes zu sehen. Ein wunderschöner fächerförmiger Pilz zum Beispiel oder Schwäne und Möwen auf dem Wasser, viele Weiss- und Graureiher und ein alter Grenzstein aus dem Jahr 1883 von Klingnau und Döttingen.

Nach Döttingen stehen wir bald schon bei einem weiteren Wasserkraftwerk und staunen über den Abfall im Wasser, welcher aufgefangen wird zusammen mit dem Schwemmholz. Warum muss man das in die Natur werfen und kann es nicht fachgerecht entsorgen?

Und dann stehen wir vor dem Kernkraftwerk Beznau und suchen den Kühlturm mit Dampfwolke. Es muss ein anderes System der Kühlung geben, was sich aber unserem Wissen entzieht.

Ja, ich hab nachgelesen: das KKW Beznau wird durch das Aarewasser gekühlt. Weil der Sommer 2022 so warm war, musste die Leistung des Werks zurückgefahren werden, weil die Aare sonst zu warm geworden wäre!

Aber dieser Tage ist es kalt und wir haben teilweise sogar Eistage. Auch das hat seinen Reiz wie uns die Natur zeigt.

Zugefrorene Tümpel
Zugefrorene Tümpel

Und was wir massenweise auf unserer Strecke sehen, sind die Spuren der wohl zahlreichen Biber hier. Nur sehen wir leider keine live. Die gefällten Bäume liegen kreuz und quer und manchmal sogar über dem Weg. Es muss paradiesisch sein hier für die Nager.

Vom Biber gefällter Baum
Vom Biber gefällter Baum

Und dann haben wir ja auch mal Hunger. Am Weg kommen wir am bekannten Forschungsinstitut PSI, Paul Scherrer Institut, vorbei. Wir haben Glück! In der Kantine “Oase” erhalten wir gerade noch rechtzeitig ein köstliches Pastagericht und in der Cafeteria einen “süssen Kaffee”.

Gestärkt gehts weiter Aare aufwärts. Beim Ort Stilli sind nur noch Überreste des ehemaligen Fährhauses zu sehen. Der Fährbetrieb wurde 1903 eingestellt mit Inbetriebnahme einer Strassenbrücke.

Reste des ehemaligen Fährhauses
Reste des ehemaligen Fährhauses

Und schon stehen wir in der Burgruine Freudenau, welche zur Gemeinde Untersiggenthal gehört. Sie wurde im Jahre 1240 zum Schutze einer Brücke über die Aare gebaut und wurde vermutlich als Umladeplatz von Fluss- und Landverkehr gebraucht.

Und dann trauen wir unseren Augen nicht: Seit 2020 wird im Aargau, ohne Pflanzenschutz und Dünger, erfolgreich Reis angebaut. Es gibt eben nichts, was es nicht gibt! Oder: man lernt nie aus!

Dann kommen wir an einen Ort, von dem ich schon gelesen hatte, es mir aber nicht richtig vorstellen konnte. Nun erlaufe ich mir das Wasserschloss der Schweiz und rate allen, dies selbst einmal zu machen. Nur so bekommt man den Eindruck dieses Wasserreichtums im Aargau!

Erst gehen wir bei Vogelsang am Ufer der zeitweise wilden Limmat entlang, queren diese und kommen beim Quartier Gugel zur Eisenbahn- und Fussgängerbrücke über die Reuss, wo diese in die Aare fliesst. So viel Wasser!

In Windisch nehmen wir den Bus nach Brugg und steigen um in den Zug nach Basel. Es wurde nie richtig Tag heute, und es war unfreundlich und zeitweise bissig kalt. Aber die vielen Erlebnisse waren es wert. Wir sind sechs Stunden gegangen und haben laut Handy gute 20 km zurückgelegt. Bei der einstündigen Pause im PSI konnten wir uns aufwärmen, und abends werden wir bestimmt super gut schlafen!