Immer fährt man da nur durch oder steigt um. Aber besucht habe ich die Hauptstadt des Kantons Tessin noch nie. Also sage ich nicht nein, als mich eine ehemalige Mitturnerin fragt, ob ich sie begleite. Die SBB hätten ein tolles Angebot, für nur zwanzig Franken mit dem Treno Gottardo der Südostbahn ins Tessin zu reisen. Und das möchte sie nutzen. Einzige Bedingung ist, dass die alte Gotthard-Bahnstrecke gefahren wird, also mit dem Zug an Wassen vorbei mit dreimaliger Sicht auf das Kirchlein. Es sind jeweils lange vier Stunden für einen Weg, aber wir haben ja Zeit!
Es ist heiss um die Mittagszeit in Bellinzona, und viele Bellenzer, wie die Einwohner der Stadt auf Deutsch genannt werden, sitzen in den vielen Restaurants draussen beim Essen. Auch wir haben Hunger und suchen als erstes ein nettes Plätzchen. Dabei werden wir auf einige Skulpturen des Tessiner Künstlers Ivo Soldini aufmerksam.


Beim Restaurant “Schweizer Kreuz” finden wir einen schattigen Platz und geniessen eine köstliche Pizza. Und dann beginnt unsere persönliche Stadtbesichtigung. Wir erfreuen uns speziell über die wunderschönen alten Fassaden in der kleinen, aber schmucken Altstadt.



Die Piazza Collegiata wird von der Stiftskirche St. Pierto e Stefano dominiert. Wunderschön und wie immer bei katholischen Gotteshäusern total überladen, ist das Innere der Kirche. Und hier ist es angenehm kühl!





Weiter kommen wir zur Piazza Nosetto, welche vom Rathaus beherrscht wird. Die Arkadengänge rundherum gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Die dazu gehörenden Häuser sind um die zweihundert Jahre jünger. Der Palazzo Communale mit Turm wurde in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erbaut und der Innenhof mit den mit vielen Geranien geschmückten Arkaden haut uns um. So, so schön!




Und zuhinderst in der Altstadt steht auf der Piazza Indipendenza ein Obelisk aus dem Jahre 1903, welcher an die Errichtung des Kantons im Jahre 1803 erinnert. Und auch hier wieder wunderschön die vielen Blumen!

Nun finden wir die gepflasterten Treppen hoch zum Castel Grande und zur Stadtmauer. Die ganze Anlage ist zur Hauptsache der Bautätigkeit der Herzöge von Mailand im 15. Jahrhundert zu verdanken. Seit dem Jahre 2000 gehören die Anlagen der drei Burgen von Bellinzona zum Unesco Weltkulturerbe.





Oben angelangt, schlendern wir über das Gelände der gut erhaltenen Burg und geniessen die Aussicht über die ganze Stadt und hinüber zu den anderen zwei Burgen Montebello und Sasso Corbaro.




Wir steigen eine metallene moderne Wendeltreppe hoch im Torre Bianca, welcher zwei Meter kleiner ist als sein mit einer begehbaren Mauer verbundener Bruderturm Torre Nera mit 28 m Höhe. Es ist eng hier oben, aber es sind wenige Leute hochgestiegen und so können wir noch besser die Aussicht auf beide Seiten geniessen.
Bevor wir wieder unserer Knie zuliebe mit dem Lift in die Altstadt hinunter fahren, betrachten wir noch die zahlreichen Reben am Festungsberg. Sie werden gerade von einem Winzer gespritzt. Na dann Prost!
Wir haben keine Munition, schiessen aber aus den Schiessscharten ungewöhnliche Fotos. Das macht Freude und verletzt niemanden.




Zurück im hübschen Städtchen mit knapp 44’000 Einwohnern gönnen wir uns erst ein feines Gelato und später noch einen köstlichen Apéro Limoncello Spritz. Fazit: Bellinzona ist eine Reise wert. Klein, aber fein hat sich uns ein hübscher Kantonshauptort offenbart!
Ein Beweis, dass es nicht immer die beiden ‚L‘ sein müssen, nämlich Locarno und Lugano! Zu Unrecht verschmäht und links liegen gelassen! Auch Bellinzona scheint nicht wenig bieten zu können, was sicherlich viele nicht wissen; ich gehöre leider auch zu denjenigen! Also auf nach Bellinzona!